Mehr als grosse Casinos
Las Vegas muss man niemandem erklären. Abseits von Glanz und Glitzer des Casinostrips, entwickelten sich in der Wüstenstadt in Nevada aber auch eine alternative Kunstszene und ein Mekka für Outdoor-Fans.
Claudia Peter
Die Fontänen des «Bellagio» schillern im Neonlicht zur Stimme Andrea Boccellis. Im Caesars werden Fotos mit Gladiatoren geschossen. Und unaufhörlich klingeln und klirren die Spielautomaten, in den unzähligen schummrigen Hallen der Casinos, in denen man nicht weiss, ob es Tag oder Nacht ist. In Las Vegas ist jederzeit alles möglich. Die Stadt ist Kulturgut, Lebensgefühl und Sinnbild für Überschwang und Exzess in einem. Doch in den letzten Jahren hat sich die Stadt in der Wüste Nevadas weiterentwickelt: Eine junge Kunstszene blüht auf und lässt abseits des Strips neue Kreativräume entstehen. Und die Wildnis der Wüste lässt die Stadt zur Destination für Outdoorfans werden.
Ein Museumsführer erzählt Interessantes und Anekdoten über die Geschichte der Ausstellungsstücke. Das Arrangement der Schilder pendelt irgendwo zwischen Shabby-Chic und Retro-Coolness. Es bietet eine neue Perspektive auf die Glitzerwelt von Las Vegas. Dies nicht zuletzt deshalb, weil man die schiere Grösse der Buchstaben erst wahrnimmt, wenn man direkt neben ihnen steht. Regelmässige Sonderausstellungen reichern die Dauerausstellung an. Zum Beispiel eine mit Installationen Tim Burtons. Die makaber-herzigen Figuren des Künstlers passen wie kaum etwas zur sogenannten «Stadt der Sünden».
Das Besucherzentrum des Neon Museum ist imposant. Es befindet sich in der Lobby des historischen «La Concha Motels». Dieses unverwechselbare muschelförmige Gebäude wurde vom berühmten Architekten Paul Revere Williams entworfen und ist ein Beispiel für das moderne Design der Jahrhundertmitte, das durch Formen und Motive aus dem Atom- und Weltraumzeitalter geprägt ist. Die Dauerausstellung, der sogenannte Neon Boneyard, also der Neon-Friedhof, befindet sich im Outdoor-Bereich des Museums. Hier können über 250 alte, klassische Leuchtbuchstaben und -schilder der Casinos bewundert werden.
Aufstrebendes Kunstviertel
Nach dem kulturellen Ausflug sind wir hungrig und entdecken die Cafés und Bistros im «Arts District». Zentrum des Viertels ist der «Art Square», ein Komplex mit drei renovierten Gebäuden, in dem Boutiquen, die lokales Handwerk verkaufen, Galerien, ein Café und ein grosser Garten untergebracht sind. Rund um den «Art Square» laden die Strassen zum Schlendern ein: An den Hauswänden gibt es Kunst zu bestaunen, in kleinen Galerien und Second-Hand-Läden lässt sich stöbern und in den Cafés gibt es feine Happen zu essen.
Im «Makers and Finders» werden hervorragender Kaffee und ein von Lateinamerika inspiriertes originelles Brunchmenu serviert. Im «Eat» werden Frühstücksklassiker wie das «Egg Sandwich» mit einer Trüffel-Note neu interpretiert. Etwas ausserhalb des Viertels ist das «Madhouse Coffee» ein gemütlicher Ort zum Verweilen. Hier gibt es zu jeder Tages- und Nachtzeit guten Kaffee und Gerichte, mit vielen veganen Optionen.
Klettern und wandern in der Wüste
Dass Vegas auch für Outdoor-Sportler attraktiv ist, wurde spätestens dann ins öffentliche Bewusstsein gerufen, als der Extrem-Kletterer Alex Honnold hier ein Haus kaufte – inmitten eines wunderbaren Outdoorspielplatzes, wie er sagte. Tatsächlich ist die «Red Rock Canyon National Conservation Area» ein spannendes Klettergebiet nur eine Fahrstunde von der Stadt entfernt. Von den Routen aus sieht man in der Ferne die Skyline der Stadt und ist doch draussen in der Wildnis. Der Park bietet nicht nur Kletterern etwas: Eine 13 Meilen lange Panoramastrasse führt durch einen Teil des Parks und offenbart die Weite und Schönheit dieser schroffen Wüstenlandschaft. 26 markierte Wanderrouten führen einen auf unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden tief in die faszinierende Mojave-Wüste, zu Oasen, versteckten Schluchten und Wänden mit Petroglyphen früherer Bewohnerinnen und Bewohner dieser Gegend.
Noch ein Geheimtipp ist der ebenfalls innert rund einer Stunde erreichbare State Park «Valley of Fire». Er ist Nevadas ältester State Park, und doch ist es hier auch zur Hauptsaison ruhiger als in den grossen Nationalparks. Auf verschieden langen Wanderungen können aussergewöhnliche Felsformationen erkundet werden, allen voran die berühmte «Fire Wave» (Feuer-Welle), wo roter und beiger Sandstein von Wind und Wetter zu einer imposanten Wellenformation geschliffen wurden. Sowohl im «Red Rock Canyon» wie auch im «Valley of Fire» gibt es einfache Campingmöglichkeiten für Zelte und Wohnmobile. Unvergleichlich ist eine Nacht unter freiem Himmel in der Wüste: Ohne künstliches Licht sind die Sterne heller und zahlreicher sichtbar. Ideal also, um im Schlafsack eingekuschelt nach Sternschnuppen Ausschau zu halten.
Casino-Nostalgie
Zurück in Vegas lohnt es sich, den ehemaligen Strip auf der Fremont Street zu entdecken. Ruhiger als auf dem Las Vegas Boulevard Strip wurden hier einige der alten Casinohotels schön renoviert und bieten Unterkünfte und Unterhaltung ohne den ganz grossen Trubel und dafür mit viel Nostalgie an. Viel Live-Musik, eine Lichtshow auf der Hauptstrasse und Shows in den Casinos sorgen dafür, dass einem auch hier nie langweilig wird. Ein Farmers Market, Streetfood und kleine Boutiquen im «Downtown Container Park» werten das Stadtviertel zusätzlich auf.
Wer den grossen Strip trotzdem nicht verpassen möchte, dem sei neben dem Schlendern durch die grossen Casinos wie dem Bellagio, dem Mirage oder dem MGM Grand ein Besuch in einem klassischen Restaurant wie «Battista’s Hole in the Wall» empfohlen. Italien-Nostalgie, einfaches, aber gutes Essen, eine sympathische Geschäftigkeit und immer mal wieder Berühmtheiten, machen das Lokal aus. Es ist eine Insel der Beständigkeit, inmitten einer sich stetig entwickelnden Stadt, die vielleicht tatsächlich jedem bietet, was er sucht.
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