Die eigene Geschichte in Worte gefasst: Eine Teilnehmerin des Projekts Edition Unik nimmt ihr selbstverfasstes Buch in Empfang.
Die eigene Geschichte in Worte gefasst: Eine Teilnehmerin des Projekts Edition Unik nimmt ihr selbstverfasstes Buch in Empfang. Credit: Yannick Wilkesmann
Sponsored

Mit 60 plötzlich Schriftstellerin

Den Traum vom eigenen Buch hegen viele Menschen. Schreibseminare und Mentorinnen helfen, diesen umzusetzen. Das fortgeschrittene Alter ist oft der ideale Zeitpunkt dafür, ein Schreibprojekt in Angriff zu nehmen.

Andreas Zurbriggen

Seit über einem Jahr steht der Roman «Eine Frage der Chemie» zuoberst auf den Bestseller-Listen. 65 Jahre alt war die Autorin, als 2022 ihr literarisches Debüt erschien. Seitdem begeistert die fiktive Geschichte um die Chemikerin Elizabeth Zott, die sich anfangs der 1960er-Jahre in einem Männerumfeld behaupten muss, Leserinnen und Leser rund um den Globus. Die Lehre daraus: In der Literaturlandschaft spielt das Alter keine Rolle.

Ein eigenes Buch zu schreiben, das wünschen sich viele Menschen. Zur Umsetzung dieses Traums bringt das fortgeschrittene Alter zwei Vorteile mit sich: Die zur Verfügung stehende Zeit wird tendenziell grösser und – nicht ganz unwichtig – durch die grosse Lebenserfahrung hat man etwas zu erzählen.

Die passende Sprache finden

Wer ein eigenes Buch herausgeben will, findet in der Schweiz auf verschiedene Art Unterstützung. So werden Schreibkurse in unterschiedlichen Genres angeboten – vom autobiografischen Schreiben bis zum Verfassen von Dramen oder Lyrik. Die Autorin Viola Rohner leitet den Lehrgang Literarisches Schreiben an der Volkshochschule Zürich, einer der intensivsten Schweizer Schreiblehrgänge. Über einen Zeitraum von 22 Monaten erhalten die 16 Teilnehmenden Einblicke in sämtliche Gattungen. Im ersten Jahr werden sie von etablierten Autorinnen und Autoren in einer Tour d’Horizon durch die Literatur geführt und kreieren im zweiten Jahr ihr eigenes Schreibprojekt – mit Hilfe einer Mentorin oder eines Mentors.

«Viele Menschen haben den Wunsch, auf ihr Leben zurückzublicken und ihre Geschichte festzuhalten.»

«Wir helfen den Schreibenden ihren Stoff und die dazu passende Sprache zu finden», sagt Viola Rohner, die selbst Prosa und Theaterstücke für Erwachsene, Jugendliche und Kinder schreibt. Für den Lehrgang Literarisches Schreiben muss man sich bewerben. Eine Altersbeschränkung gibt es keine. «Wer zu 100 Prozent im Arbeitsleben steht, wird die Zeit für diesen Lehrgang kaum finden. Nebst den Kursen sollte man mindestens einen Tag pro Woche am Schreibtisch verbringen können, um seinem Stoff nachzugehen, Schreibübungen aufs Papier zu bringen und sich Gedanken über ein konkretes Projekt zu machen», so Rohner.

Herausforderung mit Mitte 50

Nicht selten endet der Lehrgang für die Absolvierenden mit einem eigenen Buch – auf die grosse Bühne des Literaturbetriebs schaffen es letztlich aber nur ganz wenige. Eine davon ist Ilia Vasella, die an der F+F Schule für Kunst und Design in Zürich den Studiengang Visuelle Gestaltung leitet. Sie belegte den Lehrgang für literarisches Schreiben in den Jahren 2015 bis 2016.

Ihr damaliges Abschluss-Schreibprojekt, das Romandebüt «Windstill», kam 2021 beim renommierten Dörlemann Verlag heraus und erhielt viel Lob von der Kritik. Was war ihre Motivation, den Lehrgang zu besuchen? «Mit Mitte 50 verspürte ich das Bedürfnis, nochmals eine neue Herausforderung zu suchen. Sprache war mir immer wichtig. Ich habe in meinem Leben viel Tagebuch geschrieben, habe Texte für Rocksongs verfasst, habe Gedanken notiert, nur hatte ich nie ein grösseres literarisches Projekt zu Ende geführt. Darauf hatte ich plötzlich Lust.»

Renommierter Verlag biss an

Ein Satz prägte Ilia Vasella in ihrer Ausbildung besonders. «Du bist dir beim Schreiben wohl nicht immer ganz bewusst, was du machst», sagte ihre Mentorin, die Autorin Ruth Schweikert in einem Gespräch und traf damit einen wunden Punkt. «Diesen Satz sage ich meinen Studierenden in der visuellen Gestaltung ebenfalls oft. Was mich erstaunte, war, wie sehr mich dieser Satz aufwühlte, denn ich meinte, durch meine Erfahrung künstlerische Prozesse im Griff zu haben.»

Ilia Vasella publizierte als 60-Jährige ihr Romandebüt «Windstill» und erhielt dafür viel Lob von der Kritik.

Credit: Flurina Rothenberger

Sie liess sich davon nicht entmutigen und nahm die Aussage als Ansporn: «Ich setzte mich danach nochmals intensiv mit den handwerklichen Aspekten des Schreibens auseinander und stellte an meine Texte vermehrt Fragen: Welche Erzählformen nutze ich, wie lassen sich verschiedene Zeitebenen adäquat darstellen, wer spricht gerade?» Nach dem Lehrgang feilte Ilia Vasella an ihrem Manuskript unermüdlich weiter, überarbeitete dieses nochmals mit Hilfe einer freien Lektorin und schickte es schliesslich an verschiedene Verlage. «Zuletzt braucht es auch ein Quantum Glück», meint Vasella. Der Dörlemann Verlag biss an und brachte das Buch der 60-jährigen Vasella prominent heraus.

Eigenes Buch in vier Monaten

Wohl gesättigt ist eher eine Untertreibung, wenn man vom Literaturmarkt spricht. Wer sein Manuskript ohne den Kontakt eines Lektors oder einer Literaturagentin an einen grossen Verlag schickt, hat kaum Chancen, ins Programm aufgenommen zu werden. Nicht alle, die ein Buch schreiben, hegen jedoch die Ambition gross herauszukommen. Sein Leben für die Enkelinnen und Enkel aufzuschreiben oder durch den Schreibprozess eine Lebensepisode zu verarbeiten, kann ebenfalls ein Ansporn für ein eigenes Buchprojekt sein. Für solche Personen bietet die Edition Unik ein massgeschneidertes Produkt an. «Viele Menschen haben den Wunsch, auf ihr Leben zurückzublicken und ihre Geschichte festzuhalten. Wir begleiten sie auf ihrem Weg zum eigenen Buch», umschreibt Geschäftsleiter Frerk Froböse die Grundidee.

«Oft schreiben Neulinge viel unbefangener als Profis mit einer langen Schreib-Biografie.»

Während vier Monaten erarbeiten Schreibende ihr eigenes Buchprojekt und treffen sich in dieser Zeit insgesamt viermal, wahlweise in Basel, Zürich, Bern oder online. «Was den Inhalt betrifft, gewähren wir alle Freiheiten. Wir helfen den Schreibenden lediglich bei der Konkretisierung und Etappierung ihres Projekts», so Froböse. In einer ersten Etappe werden dabei Notizen gesammelt, dann über die Erzählperspektive gesprochen und wie der Stoff in eine Form gebracht werden kann. Am Schluss kommen Fragen der Buchgestaltung ins Spiel. «Nach 17 Wochen haben die Absolvierenden ein leinengebundenes Buch mit ihrem Text in der Hand», so Froböse. Ein Verlag ist die Edition Unik nicht. Viele Kursteilnehmende begnügen sich mit einigen wenigen Exemplaren, die sie in ihrer Familie verschenken.

Zuerst: Ziele analysieren

In der Schweiz werden hunderte von Schreibkursen, Schreibworkshops und Schreibseminaren angeboten. Je nach Gattung, je nach verfügbarer Zeit und je nach Ambition lässt sich aus dem grossen Angebot das passende auswählen. Für die Westschweiz etwa listet die Website webliterra.ch für sämtliche Kantone literarische Schreibseminare auf. Von Schreibkursen in der Walliser Gletscherlandschaft bis zu einem Atelier in Genf, in dem es um das Entwerfen von Anti-Helden geht. Wer lieber alleine an einem Buchprojekt arbeitet, kann die Hilfe von freischaffenden Lektorierenden und Mentorinnen in Anspruch nehmen.

Ein erfahrener Schreibtrainer ist der Autor Richard Reich. Sein Ratschlag: «Wer ein Buch schreiben möchte, sollte zuerst ehrlich seine Motivation, seine Ziele analysieren.» Ausserdem dürfe die Erzählweise nicht zu ehrgeizig sein, sonst riskiere man, sich gleich bei der ersten Schreibkrise vom eigenen Projekt zu entfremden. Trotzdem könne auch wer wenig Erfahrung mit Texten hat, durchaus ein ganzes Buchprojekt ins Auge fassen: «Oft schreiben Neulinge viel unbefangener als Profis mit einer langen Schreib-Biografie», sagt Reich.

Themenspezifische Specials

Mit themenspezifischen Specials, welche als zusätzlicher Zeitungsbund erscheinen, bietet der Tages-Anzeiger ihren Leserinnen und Lesern regelmässig einen attraktiven Mehrwert.