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Kommentar: Schwarzer Tag

Credit Suisse war seit Jahren eine tickende Zeitbombe. Doch niemand hat sie gehört. Ein schwarzer Tag für uns alle.

Jan Schwalbe

UBS übernimmt Credit Suisse. Dafür ist am Sonntag, 19. März, der Grundstein gelegt worden. Das ist kein Grund zur Freude. Für niemanden. Nicht einmal für UBS. Es ist ein schwarzer Tag. Ein schwarzer Tag für die Schweiz, an deren Nimbus der Unverwundbarkeit ein weiteres Mal gekratzt wird. Das Land, in dem alles so gut funktionieren soll wie eine Schweizer Uhr, muss eingestehen, dass es nicht stark genug ist, um eine in eine Abwärtsspirale geratene Grossbank zu retten.

Es ist ein schwarzer Tag für das Schweizer Finanzsystem. Immer und immer wieder werden die Sicherheit, die Konservativität und die Besonnenheit der Schweizer Banken hervorgehoben. Das ist zwar in vielen Fällen auch richtig. Doch der Schaden für die Branche könnte durch den Fall Credit Suisse beträchtlich sein. Der gute Ruf ist für unsere Banken ihr ganzes Kapital. Kollateralschäden sind nicht ausgeschlossen.

Zu lasch angefasst

Es ist ein schwarzer Tag für die Finma. Die Bankenaufsicht hat Credit Suisse viel zu lasch angefasst. Noch vor wenigen Tagen hat sie sich um ein Verfahren gegen die Grossbank gewunden, in dem es um Äusserungen zum Abfluss von Kundengeldern gegangen wäre. Nur ein Beispiel von vielen.

Es ist auch ein schwarzer Tag für die Schweizerische Nationalbank. Sie muss feststellen, dass ein Liquiditäts­paket allein nicht ausreicht, um alles wieder gut zu machen. Das war ihr wohl selbst bewusst, und es war wohl mehr ein taktischer Schritt als eine vollherzige Rettungsaktion.

Doch die Grenzen ihres eigenen Einflusses und ihrer Macht zu entdecken, ist für eine Institution wie die SNB eine Niederlage. In ihren Stabilitätsberichten hat sie Credit Suisse jeweils unter die Lupe genommen und mit diesem Ausgang so wohl nicht ernsthaft gerechnet.

Von Unverschämtheit zu Unverschämtheit

Ein schwarzer Tag für die Politik ist es ebenfalls. Zwar hat man sich ganz kurz vor dem Abgrund durchaus bemüht gezeigt und versucht, mit allen Mitteln das Schlimmste zu verhindern. Doch ein elegantes Vorgehen war das nicht. Die Versäumnisse der Vergangenheit aufzuzählen, erspare ich mir hier.

Und ja, nicht zuletzt ist es auch ein schwarzer Tag für Credit Suisse. Alfred Escher, der Gründer der Grossbank, dürfte sich im Grab umdrehen. Credit Suisse ist nicht mehr bzw. wird bald nicht mehr sein. Das wäre nicht nötig gewesen. Das ehemals so stolze Finanzinstitut tappte von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen, von Skandal zu Skandal, von Unverschämtheit zu Unverschämtheit. Und wenn jetzt jemand sagt, dass man ja nichts dafür könne, weil niemand die Pleite von Silicon Valley Bank habe voraussehen können, dann ist das die faulste Ausrede aller Zeiten. CS war seit Jahren eine laut tickende Zeitbombe. Und dennoch hat niemand sie gehört. Ein schwarzer Tag für uns alle.


Erschienen in: Finanz und Wirtschaft, Nr. 22, 23. März 2023

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