Die Skyline von Schanghai leuchtet bunt, die Wolken über der Stadt lichten sich. 
Aus diesem Anblick auf die generelle wirtschaftliche Verfassung der Metropole und ganz Chinas zu schliessen, wäre falsch. Obwohl die Corona-Massnahmen 
aufgehoben sind, zieht der Konsum im Land nicht recht an. Anlegerinnen und 
Anleger müssen deshalb selektiv vorgehen. Erfolgversprechend sind etwa Aktien von einzelnen Firmen aus der Gastro- und Reisebranche und von Unternehmen, die Konsumgüter für die Generation Z produzieren. 
Die Skyline von Schanghai leuchtet bunt, die Wolken über der Stadt lichten sich. Aus diesem Anblick auf die generelle wirtschaftliche Verfassung der Metropole und ganz Chinas zu schliessen, wäre falsch. Obwohl die Corona-Massnahmen aufgehoben sind, zieht der Konsum im Land nicht recht an. Anlegerinnen und Anleger müssen deshalb selektiv vorgehen. Erfolgversprechend sind etwa Aktien von einzelnen Firmen aus der Gastro- und Reisebranche und von Unternehmen, die Konsumgüter für die Generation Z produzieren.  Credit: Adobe Stock

Wie Anleger auf Chinas Konsumerholung wetten können

Nach der Pandemie stockt die Erholung in der Volksrepublik. Marken müssen sich neu aufstellen. Internationale Marken verlieren Vorteile. Ein Bericht aus Schanghai.

Alexander Trentin, Schanghai

Fast gähnende Leere in einer Luxus-Shoppingmall in Schanghai. Personal, das die Anzahl Kunden deutlich übertrifft, steht sich die Füsse platt. Dabei war ein Boom in China noch vor einigen Wochen die grosse Hoffnung für Anleger und Unternehmen. Immerhin sassen viele Chinesen vergangenes Jahr zu Hause fest, dann kam die plötzliche Öffnung. Aber mit dem Konsum hapert es.

Anleger müssen sich selektiv positionieren, um von der Wiederöffnung zu profitieren. «Finanz und Wirtschaft» hat dafür drei Bereiche identifiziert: die junge Generation Z, Restaurantketten und Tourismus (vgl. Texte rechts). «Die Leute sind immer noch vorsichtig mit ihren Ausgaben», sagt Max Peiro. Er ist CEO von Re-Hub, einem in Schanghai ansässigen Beratungsunternehmen für Luxusmarken. «Wir werden noch zwei bis drei Monate warten müssen, um zu sehen, wie sich der Konsum tatsächlich erholt.»

Eine grosse Herausforderung ist auch, dass sich mit der Pandemie das Konsumverhalten wohl dauerhaft verändert hat. «Die Lockdowns haben den Menschen Zeit gegeben, darüber zu reflektieren, was ihnen wirklich wichtig ist», sagt Mark Tanner. Der Gründer der Marketingagentur China Skinny sieht daher eine «Verlagerung hin zu Produkten, die Bequemlichkeit bringen».

Zu Hause einigeln

Und: Auch nach der Pandemie würde man öfter zu Hause bleiben. Vor Covid habe man die eigenen vier Wände nur als «Ort zum Schlafen» betrachtet, sagt Tanner. Nun «investieren die Leute mehr in Möbel und Wohnkultur. Auch Küchengeräte werden beliebter.»

Die Zurückhaltung beim Konsum zeigt sich in der Geldvorhaltung. Das Brokerhaus Jefferies konstatiert: «Sekundäreffekte von Covid waren Unterkonsum und übermässige Ersparnisse.» Die Sparvermögen notieren weiterhin deutlich über Trend und sind bei weitem noch nicht abgebaut. Das Analysehaus BCA Research geht dank der «aufgestauten Nachfrage» davon aus, dass die Haushaltsausgaben dieses Jahr gegenüber dem Vorjahr 10% wachsen werden.

Doch das wäre nur ein Einmaleffekt. Das Konsumentenvertrauen notiert gemäss Umfragen weiterhin weit unter dem Wert von vor der Pandemie. BCA sieht einen langfristigen Trend, der sich nun fortsetzt: «Seit 2018 sinkt der Konsumanteil an den Haushaltseinkommen.»

Anabelle Hourriez, Managing Director des Beratungshauses Labbrand, sagt: «Es gibt keinen Konsumrausch oder übermässige Ausgaben. Leute suchen nach mehr Stabilität, so sind sichere Arbeitsplätzen in staatlichen Unternehmen begehrt.» Man gehe zwar wieder aus, aber «grosse Ausgaben wie Autos oder Elektronik sehen keinen starken Anstieg»

Suche nach dem Neuen

Um erfolgreich zu sein, müssen Marken sich im Marketing und im Vertrieb neu aufstellen. Max Peiro sagt: «Chinesische Kunden sind immer auf der Suche nach etwas Neuem. Sie bleiben nicht bei einer Marke.» Man müsse sie mit Innovationen begeistern. «Das ist auch eine Chance für Marken, auf dem Markt schnell Fuss zu fassen.»

Mark Tanner bemerkt: «Chinesische Marken haben den Vorteil, sich schneller auf die Ansprüche der Kunden einzustellen.» Er plädiert dafür, dass Unternehmen sich auf die Ansprüche der jungen Generation einrichten. Die hat in China eine besonders grosse Zahlungskraft. Die Jungen suchten nun «eine bessere Work Life Balance». Es gebe im Vergleich zu früheren Generationen weniger «Konformismus und mehr Rebellion». Und die Kaufentscheidungen seien weniger pragmatisch-funktional, sondern sie «suchten Abenteuer und die emotionale Verbindung zu Marken und ihrer Geschichte».

Anabelle Hourriez sieht gerade unter den Jungen einen «wachsenden Stolz in China». Man vertraue den chinesischen Marken mehr, auch in der früher skandalgeplagten Nahrungsindustrie habe sich viel getan: «Die Sicherheit hat sich signifikant verbessert.» Internationale Marken würden ihre Strategien an lokale Gegebenheiten anpassen, um eine Verbindung zum chinesischen Erbe zu finden. Sie erzählt: «Als unsere Agentur anfing, chinesische Namen für internationale Luxusmarken zu finden, wollten sie meist phonetischen Entsprechungen. Jetzt suchen sie nach Zeichen mit einer Bedeutung, die bei den chinesischen Kunden ankommt.»

Chancen für internationale Marken

Tanner glaubt zwar, dass «viele Kunden lieber chinesische Waren kaufen, wenn alles sonst gleich ist». Allerdings gebe es immer noch US-Marken, die als qualitativ besser oder innovativer gelten würden. So habe Apple im Handymarkt der Marke Huawei, die unter US-Sanktionen steht, Anteile abgeluchst. Auch die Sportmarke Nike sei weiterhin stark: «Sie hat sich in China fest etabliert, indem sie den chinesischen Sport in grossem Umfang unterstützt.»

Für viele westliche Luxusmarken ist China der wichtigste Markt. Hier könnte es mehr inländische Konkurrenz geben: «Es gibt keinen Grund, warum es in den nächsten Jahren nicht mehr Luxusmarken aus China geben sollte», resümiert Piero. «Sie werden vielleicht nicht wie in Europa auf eine lange Unternehmensgeschichte verweisen können. Aber sie könnten sich mit chinesischer Handwerkskunst verbinden.»

Um noch relevant zu bleiben, müssten internationale Marken sich gerade auch in der chinaspezifischen Onlinewelt einrichten. «Opinion Leaders und Influencer sind noch wichtiger als im Westen», sagt Mark Tanner. Sie seien aber auch sehr teuer: «Die Marketingkosten chinesischer Marken belaufen sich manchmal auf 80 % des Umsatzes, wobei ein grosser Teil davon an die Opinion Leaders fliesst.»

Die hohen Marketingkosten zeigen: Chinesische Konsumenten sind eine grössere Herausforderung geworden. Mit der Pandemie hat sich das Kaufverhalten noch weiter verändert. Und ein grosser Boom bleibt wohl auch weiterhin aus. Im schnelllebigen Markt kann man mit den richtigen Wetten als Anleger aber profitieren.

Aktienwette 1: Generation Z

Der Markt für Konsumgüter ist in China anders strukturiert. Junge sind besonders zahlungsstark und zahlungswillig. Wegen des schnellen Wirtschaftswachstums und einer guten Ausbildung haben sie oft eine bessere Stelle und ein höheres Einkommen als ältere Generationen. Die konsumfreudige Generation Z – ab den späten Neunzigerjahren geboren – ist besonders umworben.

Doch diese Generation an sich zu binden, ist nicht einfach. Drei ausserhalb Festlandchinas kotierte Aktien versprechen zwar, dass sie besonders im Trend liegen. Ihre Kurse haben vergangenes Jahr aber stark verloren. Als risikobehaftete Wette auf junge Kundschaft sind sie trotzdem einen Blick wert. Auch wenn sie wegen sich verändernder Kundenpräferenzen schnell Marktanteile einbüssen könnten.

Yatsen Holding ist mit einer Neukotierung im November 2020 an die New Yorker Börse gestossen. Yatsen ist die Muttergesellschaft von Perfect Diary, einer trendigen Kosmetikmarke für die Generation Z. Dank der Präsenz auf den Social-Media-Plattformen und einem grossen Produktportfolio ist sie online führend unter jungen und urbanen Kunden.

Die in Hongkong gehandelte Pinduoduo hat ein soziales Shopping-Erlebnis entwickelt: Kunden können sich als Gruppe günstiger Produkte online kaufen. Dazu kommt die «Gamification» – wie in einem Spiel können immer neue Erfolge erzielt werden.

Pop Mart International ist ein Spielzeughersteller und -distributor, auch in Hongkong kotiert. Dabei geht es nicht um Kinder: In speziellen Automaten und auf E-Commerce-Plattformen werden Sammelfiguren verkauft, die besonders junge Erwachsene ansprechen.

Aktienwette 2: Reisen

Alice Wang, Fondsmanagerin beim Asset-Manager Quaero Capital, stellt sich auf eine andere Konjunkturerholung in China ein: «Die Form des Aufschwungs wird diesmal anders sein als bei früheren Öffnungsentwicklungen – er ist mehr konsumorientiert, weniger auf einen Fiskalstimulus abstützend.» Dadurch gebe es auch keine Gefahr von Boom-Bust-Entwicklungen wie in früheren Aufholbewegungen. Als frühe Profiteure sieht Wang die Bereiche Dienstleistungen und Freizeit.

FuW hat ausserhalb Festlandchinas kotierte Titel identifiziert, die dank der Öffnung der chinesischen Grenzen im Trend liegen. Der Reisegepäckhersteller Samsonite, in Hongkong kotiert, hat sich in den vergangenen Monaten schon äusserst gut entwickelt. Kommt tatsächlich ein Reiseboom der Chinesen, könnte sich die starke Nachfrage nach Koffern und Taschen fortsetzen. Als Qualitätsmarke sollte sich Samsonite auch im hart umkämpften chinesischen Markt weiterentwickeln.

H World Group, an der Nasdaq kotiert, ist ein in Schanghai ansässiger Hotelbetreiber, der über 8000 Etablissements führt. Darunter finden sich auch international bekannte Marken wie Steigenberger. Diversifiziert über Segmente und Regionen, ist die Gruppe besonders gut aufgestellt, um die chinesischen Gäste an sich zu binden. Seit Beginn der Pandemie hat sie zwar fast in jedem Quartal Verlust geschrieben. Diese Zeit scheint nun aber vorbei zu sein.

China Travel International Investment ist eine in Hongkong ansässige kontrollierte Holding mit Investitionen in Hotels, Vergnügungsparks, Reiseveranstalter, Golfclubs und der Fähre von Hongkong nach Macao, TurboJet. Nach eigenen Angaben werden in ihren Resorts und Destinationen fast 30 Mio. Gäste empfangen. Das Unternehmen ist zwar kotiert, wird aber durch die staatliche Muttergesellschaft China Tourism Group kontrolliert. In Südchina und der Sonderverwaltungszone Hongkong wird China Travel International Investement schnell höhere Einnahmen verbuchen, wenn der Tourismus in der Volksrepublik richtig anläuft.

Aktienwette 3: Restaurants

Während chinesische Konsumenten grosse Anschaffungen auf die lange Bank schieben, freut man sich in der Volksrepublik wieder daran, ungehindert ins Restaurant zu gehen. Während der Pandemie hat man sich zwar daran gewöhnt, die schnellen Lieferdienste zu nutzen – doch offenbar finden Chinesen wieder Geschmack daran, auswärts essen zu gehen.

In Hongkong hat FuW drei Gastronomiekonzerne gefunden, die in China für volle Mägen sorgen. Ihre Aktien haben im Herbst den Tiefpunkt durchschritten. Die Restaurants finden sich in grossen Einkaufszentren und Shoppingmeilen. Jiumaojiu, ansässig im südchinesischen Kanton, ist im Januar 2020 an die Börse Hongkong gestossen. Das Unternehmen fokussiert auf chinesische Küche – mit verschiedenen Ketten, die etwa «Sauerkrautfisch», Hot Pot (Feuertopf) oder kantonesische Speisen anbieten.

Bei der 1994 gegründeten Haidilao dreht sich alles um den scharfen Hot Pot aus der Provinz Sichuan – und das in 1600 Restaurants. Seit vergangenem Jahr schreibt die Kette wieder schwarze Zahlen, auch wenn der Umsatz noch nicht das Niveau von vor der Pandemie erreicht hat. Auch wurde durch Covid das zuvor halsbrecherische Tempo an Neueröffnungen unterbrochen. Nun hat Haidilao Stellen gestrichen und schaut verstärkt auf die Kosten.

Yum China, in Hongkong und New York kotiert, ist der grösste Restaurantbetreiber der Volksrepublik mit über 450 000 Angestellten, fast 10 Mrd. $ Umsatz und einer Marktkapitalisierung von 25 Mrd. $. In China werden Lokale von international bekannten Marken wie KFC, Pizza Hut und Taco Bell betrieben. Mit der Kette Little Sheep ist man auch Konkurrent von Haidilao. Auch den wachsenden Kaffeedurst in China bedient Yum, seit 2020 betreibt sie Cafés als Lizenznehmer der italienischen Marke Lavazza. Anders als die kleineren Gastronomieunternehmen ist Yum dank ihrer Diversifikation deutlich stabiler aufgestellt – das bietet mehr Sicherheit, aber auch weniger Erholungspotenzial.


Erschienen in: Finanz und Wirtschaft, Nr. 24, 29. März 2023

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