Kein Müllmonster, sondern eine Kamera und eine Präzisionswaage halten fest, welches Essen und wieviel davon im Müll landet. Das High-Tech-Messgerät Kitro analysiert die Lebensmittelabfälle haargenau.
Kein Müllmonster, sondern eine Kamera und eine Präzisionswaage halten fest, welches Essen und wieviel davon im Müll landet. Das High-Tech-Messgerät Kitro analysiert die Lebensmittelabfälle haargenau. Credit: Adobe Stock
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Damit weniger Essen im Eimer landet

Das 2017 gegründete Start-up Kitro hat sich zum Ziel gesetzt, Foodwaste in der Gastronomie zu reduzieren. Dazu haben die beiden Gründerinnen ein Gerät entwickelt, das analysiert, was in den Abfallkübel geworfen wird.

Susanne Wagner

Nur schon vom Anblick läuft vielen das Wasser im Mund zusammen: Ein reichhaltiges Buffet in einem Restaurant mit zahlreichen gefüllten Schalen und Platten lässt Gourmetherzen höher schlagen. Der Haken an der Geschichte ist, dass viele Gäste mehr Leckereien auf den Teller laden, als sie essen können. Was übrig bleibt, landet im Abfall. Jedes Jahr werden in der Schweiz 2,8 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen statt gegessen. Rund 210000 Tonnen davon allein in der Gastronomie. Diese traurige Zahl hat das Bundesamt für Umwelt erhoben.

Dagegen müsste man doch etwas machen, sagten sich Naomi MacKenzie und Anastasia Hofmann. Die Verschwendung von Lebensmitteln in der Gastronomie kennen die beiden aus eigener Erfahrung. Sie arbeiteten während ihres Studiums an der renommierten Hotelfachschule Lausanne in Restaurants im In- und Ausland. Dort sahen sie nicht nur, wie viele aufwendig zubereitete Speisen einfach weggeschmissen wurden. Aufgrund ihrer Ausbildung wussten sie auch, dass diese Nahrungsmittel einen Wert haben – nicht nur ideell, sondern in Euro und Cent, in Franken und Rappen.

Schwieriger Anfang

«Doch niemand konnte in den Betrieben genau sagen, wie viel wirklich weggeworfen wurde oder in welchem Wert», erinnert sich Naomi MacKenzie. Das wollten sie ändern und machten ein Geschäftsmodell daraus. Die Idee ist so einfach wie bestechend: Ein Gerät am Bio-Mülleimer misst direkt an der Quelle, wie viel Essensreste im Eimer landen. Zum Thema «Nachhaltigkeit in Restaurantküchen» hatten Naomi MacKenzie und Anastasia Hofmann bereits an der Hotelfachschule Lausanne einen Wettbewerb gewonnen. Als sie sich 2017 an die Gründung des Start-ups wagten, ahnten sie jedoch noch nicht, welche Hürden sie erwarteten.

Jedes Jahr werden in der Schweiz 2,8 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen.

«Wir wussten, was wir bauen wollten, aber nicht wie», erinnert sich Co-Gründerin MacKenzie. Erschwerend kam dazu, dass sie zunächst ohne Investor*innen arbeiteten und kein eigenes Geld investieren konnten. Mit den knappen Ressourcen sei es am Anfang schwierig gewesen, geeignete Mitarbeitende zu finden. Eine Projektfinanzierung der Innovationsförderungsplattform Innosuisse half über diese ersten Hürden hinweg und ermöglichte eine Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW. «In den ersten sieben Monaten zahlten wir uns gar keinen Lohn aus, später nur einen kleinen», so MacKenzie.

Die erste Finanzierungsrunde erfolgte 2018 durch Business Angels. Jetzt wurde auch die Suche nach IT-Leuten einfacher: Denn das Thema «Foodwaste reduzieren» erfüllt den Wunsch nach sinnvoller Arbeit, die sich viele junge Menschen wünschen. Das High-Tech-Messgerät von Kitro – eine Kamera und eine Präzisionswaage – hält alle Lebensmittelabfälle fest und analysiert sie automatisch. Jedes Mal, wenn jemand Essensreste in die Tonne wirft, werden sie fotografiert, gewogen und der Zeitpunkt wird festgehalten.

Intelligente Software

Das System ist mittlerweile so ausgereift, dass es dank der Bilderkennungssoftware herauslesen kann, woher die Abfälle stammen. Woher weiss der Algorithmus das? Naomi MacKenzie sagt: «Wenn es Rüeblischalen sind, kommen sie aus der Küche. Und wenn es mehr als 450 Gramm aufs Mal sind, können sie nicht von einem Teller stammen, sondern von der Überproduktion aus der Küche.»

Nach ein bis zwei Monaten im Betrieb werden erste Daten ausgewertet. So kann identifiziert werden, was am häufigsten entsorgt wird. Etwa, dass am Montag immer zu viel Pommes frites übrigbleiben. Je nach gewähltem Package gehört neben der Analyse auch das Vorschlagen von Massnahmen dazu, um Foodwaste gar nicht entstehen zu lassen. Zum Beispiel am Montag weniger Pommes zu produzieren.

«Seit die Kamera da ist, haben die Mitarbeitenden mehr Respekt, etwas weg­zuschmeissen.»

Die Frage nach den Ursachen von Foodwaste ist gemäss ­Naomi MacKenzie gar nicht so leicht zu beantworten. Es seien nicht unbedingt die Gäste schuld, wie man vermuten könnte. «Es gibt vielerorts auch eine Überproduktion, weil die Restaurants wollen, dass es auf einem Buffet eine Auswahl gibt», erklärt Naomi MacKenzie. Aus hygienischen Gründen werde dann vieles weggeworfen.

Rührei oder Speck?

Inzwischen hat sich Kitro zu einem Unternehmen mit zwölf Mitarbeitenden in der Schweiz entwickelt. Derzeit sind 150 Geräte am Messen und in Kantinen von Unternehmen, Universitäten, etwa an der ETH Lausanne, und in Krankenhäusern sowie in Hotels im Einsatz.

Im Hotel Marriott in Zürich stehen seit Februar 2022 vier Geräte. «Wir brauchten ein System, um die Lebensmittelabfälle detaillierter zu messen», sagt Frank Brabant, Director of Food & Beverage des Hotels Marriott. Er habe sich zunächst nicht vorstellen können, wie die künstliche Intelligenz registriere, ob gerade Speck oder Rührei im Eimer landeten. Seit Beginn sei die KI aber mit so vielen Parametern gefüttert worden, dass sie die Analyse der Lebensmittel immer genauer vornehmen könne.

Seit die Kamera da ist, haben die Mitarbeitenden gemäss Brabant «mehr Respekt, etwas wegzuschmeissen». Das Personal in der Küche und im Service ist jetzt stärker auf das Thema sensibilisiert. Innerhalb eines Jahres konnten Frank Brabant und sein Team die Lebensmittelabfälle von knapp 160 Gramm pro Gast auf 73 Gramm reduzieren. Denn das neue Wissen beeinflusst den Einkauf und die Planung der Produktion. Dank einem täglichen Blick auf die Zahlen erkennt Brabant Ausreisser nach oben oder nach unten und kann bei Bedarf schneller eingreifen.

Die Gründerinnen sehen der Zukunft positiv entgegen. Sie freuen sich, dass es hierzulande mehr und mehr gesetzliche Regulierungen in Sachen Nachhaltigkeit gibt und dass insbesondere grössere Firmen mehr Wert auf ESG-Kriterien, also Kriterien aus den Bereichen Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung, legen wollen und müssen – auch im Hinblick auf ihre eigenen Investor*innen. «Viele Unternehmen müssen etwas für die Nachhaltigkeit machen und die Zahlen zeigen, dass sie am meisten bei Plastik und Foodwaste sparen können», so Naomi MacKenzie.

Sensibilisieren in der Schule

Doch was ist mit den 778 000 Ton­nen Lebensmitteln, die jedes Jahr in Privathaushalten weggeworfen werden? Hat Kitro hier auch eine Lösung parat und bietet bald einen intelligenten Mülleimer für zu Hause an? Naomi MacKenzie schüttelt den Kopf und sagt: «Eher nicht. Ich glaube nicht, dass die Leute noch eine Kamera mehr zuhause wollen.» Ihr ist es aber sehr wichtig, die Gesellschaft für das Thema zu sensibilisieren und die Aufmerksamkeit dafür auch in Bildungsinstituten zu erhöhen. Dies tut sie in verschiedenen Projekten auf unterschiedlichen Levels von Kindergarten bis Hochschule. Ihr Ziel ist klar: zu vermitteln, wie viel Wert Nahrungsmittel haben.

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