Die Pflanzen sind robust, fühlen sich in den meisten Böden und Klimazonen wohl und benötigen nicht viel Wasser sowie kaum Insekten- und Pflanzenschutzmittel oder Dünger. 
Die Pflanzen sind robust, fühlen sich in den meisten Böden und Klimazonen wohl und benötigen nicht viel Wasser sowie kaum Insekten- und Pflanzenschutzmittel oder Dünger.  Credit: Adobe Stock
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Die jahrtausendealte Wunderpflanze

Lokaler Anbau, anspruchslose Aufzucht und Wertschöpfung vom Stängel bis zur Blüte: Der Hanf ist ein Superstar der Nachhaltigkeit. Doch es gibt auch Nachteile.

Sarina Keller

Hanf ist nur was für Kiffer*innen? Weit gefehlt: Proteinpulver, Kosmetika, Seile, Seifen, Schokolade, Kleider, Schuhe, Rucksäcke, Taschen, Duvets, sogar Backsteine für den Hausbau lassen sich daraus herstellen – und die Liste liesse sich noch schier endlos fortsetzen. Natürlich wird die Pflanze auch in der Schweiz zum Genuss konsumiert; sie gewinnt aber auch als Heilmittel an Bedeutung.

Hanf ist eine der ältesten Nutzpflanzen der Welt und wurde schon vor tausenden von Jahren kultiviert. Ursprünglich stammt die Pflanze wahrscheinlich aus Zentralasien. Die ersten Hinweise auf Hanf in Europa stammen aus Deutschland und sind rund 5500 Jahre alt. Genutzt wird er schon sehr lange sehr vielfältig, als Schmerz- oder Heilmittel, zur Papier- oder zur Kleiderherstellung. Die Fasern aus den Stängeln eignen sich vor allem für Letzteres, während aus den Samen etwa Speiseöl oder Mehl gewonnen wird. Aus den Blüten wird das illegale Marihuana oder Haschisch hergestellt, sie werden aber auch für die legalen CBD-Genussmittel oder Heilmittel verwendet.

In der Schweiz eine Nische

In der Schweiz kann Hanf seit 2017 legal angebaut werden, allerdings nur, wenn er einen THC-Gehalt von unter einem Prozent hat. Darum bauen Schweizer Produzentinnen und Produzenten meist CBD-Hanf an. Die beiden Stoffe sind sich ähnlich, unterscheiden sich aber vor allem in einem stark: Während Tetrahydrocannabinol (THC) psychoaktiv wirkt und einen Rausch auslöst, tut das Cannabidiol (CBD) das nicht.

Seit ein paar Jahren schon werden Hanfblöcke und -platten für den Hausbau verwendet.

Auch wenn es sich so anfühlt, als erlebte der Hanfanbau seit der CBD-Legalisierung einen regelrechten Boom, zeigt ein Blick in die Statistik: In der hiesigen Landwirtschaft ist er immer noch in einer Nische angesiedelt. 2019 wurden auf der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche von einer Million Hektaren nur deren 243 mit Hanf bepflanzt. Allerdings nimmt die Produktion stetig zu. Zum Vergleich: Im Jahr 2018, also kurz nach der CBD-Legalisierung, waren es noch 118 Hektar.

Nachhaltig, aber nicht nur

In Bezug auf Nachhaltigkeit sticht Hanf gleich mit mehreren Trümpfen. Nicht nur, dass man alle seine Bestandteile – von den Samen über die Blüten bis hin zu den Stängel – verwenden kann, er ist auch im Anbau relativ pflegeleicht. Die Pflanzen sind robust, fühlen sich in den meisten Böden und Klimazonen wohl und benötigen nicht viel Wasser sowie keine oder kaum Insekten- und Pflanzenschutzmittel oder Dünger. Durch den lokalen Anbau entfallen im Gegensatz zu anderen Rohstoffpflanzen, wie etwa Baumwolle, lange Transportwege.

Es gibt allerdings auch Nachteile im Anbau. Sie kommen hauptsächlich von der Grösse der Pflanze. Sie kann vier bis fünf Meter hoch werden und bildet starke Wurzeln. Da macht sie für den Transport ungeeignet, weshalb sie in der Nähe des Feldes verarbeitet werden muss. Zudem haben wichtige Beikräuter auf Hanffeldern kaum eine Chance, was die Vielfalt gefährdet. Mit einer wechselnden Fruchtfolge können Landwirtinnen und Landwirte dieser Gefahr allerdings entgegenwirken. Für die Ernte der voluminösen Pflanzen braucht es spezielle Maschinen und Häcksler, und deren Produktion wiederum verschlingt Energie und Ressourcen.

Sporthalle aus Hanf

Neben den ökologischen Herausforderungen gibt es auch ökonomische. Denn: Baut man Hanf an, stellt sich die Fragen, wem man ihn verkaufen kann? In der Schweiz gibt es, anders als in unseren Nachbarländern, praktische keine Hanffaser-Industrie. Und CBD-Produkte sind zwar weiterhin beliebt, aber der Markt scheint gesättigt. Günstigere Preise ausländischer Anbieter machen hiesigen Anbieterinnen und Anbietern zusätzlichen Druck. In Bern beispielsweise musste deswegen vor einem Jahr bei einer CBD-Firma 40 Angestellte gehen, eine andere musste dem Druck nachgeben und die Preise senken.

CBD gilt als entkrampfend, angstlösend, entzündungs- und schmerzhemmend.

Trotzdem: Verschwinden wird diese jahrtausendealte Pflanze mit all ihren Vorteilen in absehbarer Zeit nicht. Neue Technologien werden auch neue Verwendungsmöglichkeiten für sie bringen. Seit ein paar Jahren schon werden Hanfblöcke und -platten für den Hausbau verwendet. In Paris wurde letztes Jahr eine ganze Sporthalle ausschliesslich daraus gebaut, in Kanada steht ein Lagerhaus aus Hanf. Die Vorteile, so die Verantwortlichen: Hanf als Baustoff sei extrem wasserabweisend, reissfest und binde CO2.

Wahrscheinlich wirtschaftlich noch interessanter ist die medizinische Nutzung. CBD gilt als entkrampfend, angstlösend, entzündungs- und schmerzhemmend. Bestandteile der Hanfpflanze werden seit Jahren im medizinischen Bereich eingesetzt, bei Alzheimer etwa, Depressionen oder Epilepsie. Sogar gegen Krebs soll Cannabis helfen können, es gibt zahlreiche Erfolgsgeschichten, die mantraartig in Internetforen heruntergebetet werden. Entsprechende Therapien und deren Ergebnisse werden noch erforscht.

Legalize it!

In der Politik wird seit Langem über eine Legalisierung von THC-haltigem Cannabis diskutiert und gestritten. Einen grossen Schritt getan hat die deutsche Regierung Mitte April. Sie arbeitet an einem Gesetzesentwurf, wonach der Besitz von 25 Gramm THC-haltigen Hanfblüten und der Eigenanbau von höchstens drei Pflanzen künftig straffrei sein soll. In der Schweiz läuft aktuell ein Pilotversuch zur legalen Cannabis-Abgabe in Basler Apotheken, und immer wieder lancieren Parlamentsmitglieder entsprechende Vorstösse. Sollte die Legalisierung auch bei uns dereinst kommen, dürfte dies der Produktion in der Schweiz einen deutlich grösseren Boost geben, als die CBD-Legalisierung 2017.

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