Die stille Dienerin bei Geburten
Doulas begleiten Eltern vor, während und nach der Geburt eines Kindes. Als emotionale Stütze ergänzen sie Hebamme und Arzt, kennen dabei aber ganz klar ihre Grenzen.
Denise Muchenberger
Martina Dolder ist zweifache Mutter und arbeitet schon viele Jahre als Doula. Dabei hat sie Freud und Leid der werdenden Eltern mitgetragen und sich auch schon hilflos gefühlt, wenn eine Geburt einen unerwarteten Verlauf nahm. Denn gerade in solchen Momenten muss sich eine Doula zurückhalten können: «Doulas haben keinerlei medizinische Kompetenzen und greifen deshalb auch niemals in den Kompetenzbereich der Hebammen und Ärzte ein. Dies halten wir in einem Ehrenkodex so fest», sagt Martina Dolder. Vielmehr gehe es darum, die Eltern zu begleiten, zu informieren, in ihrer Selbstbestimmung zu stärken, Möglichkeiten aufzuzeigen oder zu erklären, was im Geburtsraum passiert.
Seit acht Jahren leitet Dolder die «Doula-Ausbildung Schweiz», den ältesten Lehrgang hierzulande, in welchem seit 2001 Doulas ausgebildet werden. Die Weiterbildung beinhaltet 14 Kurstage, um die Ausbildung abzuschliessen, müssen zwei Geburten begleitet und dokumentiert werden.
Wieder beruflich Fuss fassen
Anmelden können sich alle Frauen, die schon einmal geboren haben. «Es gibt mittlerweile aber auch Ausbildungsangebote, welche ein eigenes Geburtserlebnis nicht mehr voraussetzen», sagt Dolder. In ihren Kursen seien die Teilnehmenden bezüglich Alter und Vorbildung bunt durchmischt. «Wir bilden Frauen zwischen 25 und 65 Jahren aus». Im Gegensatz zu den formalen Aufnahmebedingungen seien die Anforderungen in der beruflichen Praxis hoch. «Ich führe jeweils ein Eintrittsgespräch und kläre transparent darüber auf, worauf sich eine werdende Doula einlässt.» Ein 24-Stunden-Pikettdienst während vier Wochen rund um den Geburtstermin erfordert viel Flexibilität und Unterstützung aus dem Umfeld, insbesondere bei Frauen mit kleinen Kindern. Wichtig sei auch eine stabile, selbstreflektierende Persönlichkeit, die sich im entscheidenden Moment zurücknehmen kann. «Wir begleiten Paare und alleinerziehende Mütter von der Schwangerschaft bis zum Wochenbett ohne zu werten und urteilen. Wir können Alternativen und Möglichkeiten aufzeigen, aber wir mischen uns niemals in die Entscheidungen des Paares ein, mögen die Wünsche noch so speziell sein.»
Den eigenen Platz finden
Die Tätigkeit der Doulas (altgriechisch: Dienerin) kam in den 70er-Jahren in den USA auf. Sie tupfte der Gebärenden beispielsweise den Schweiss von der Stirn, redete ihr gut zu, übersetzte medizinische Fachbegriffe. Dabei hält sie sich immer im Hintergrund. «Auch ich muss jeweils meinen Platz im Geburtsraum finden, um niemanden zu stören», sagt Dolder. Es sind nicht nur alleinstehende Frauen, welche mit Doulas zusammenarbeiten, auch Paare setzen vermehrt auf diese Unterstützung. «Häufig sind es werdende Eltern, die bereits eine oder mehrere Geburten erlebt haben, je nachdem traumatisiert sind oder eine Situation erlebt haben, die sie beim nächsten Kind unbedingt vermeiden möchten», erklärt sie.
Vertrauen statt Ängste
Die Zürcherin setzt den Fokus ihrer Arbeit auf die Vorbereitungszeit, klärt umfassend auf, nährt Selbstbewusstsein und Selbstbestimmtheit der Frau und versucht, ihr das Gefühl zu geben, dass die Geburt etwas Wunderbares sein kann. «Wer sich gestärkt und voller Vertrauen statt mit Ängsten darauf einlassen kann, erlebt eine Geburt idealerweise als etwas Archaisches. Als einen Prozess, der eine Frau mit ihrer Weiblichkeit verbinden und über sich hinauswachsen lässt», sagt Dolder. Nach der Geburt bleibt die Doula als Ansprechperson mit dem Paar in Kontakt. «Meist finden noch ein, zwei Gespräche statt, bevor wir uns langsam aus dem Leben der frischgebackenen Eltern oder Mutter verabschieden.» Gibt es Schwierigkeiten, wie etwa den Babyblues oder Probleme beim Stillen, nutzt die Doula ihr Netzwerk und vermittelt an Fachpersonen aus der Psychologie oder der Stillberatung.
Ausbildungsmöglichkeiten Schweiz
Mittlerweile gibt es in der Schweiz mehrere private Institutionen, welche Frauen zur Doula ausbilden. Da sich die Angebote in ihren Inhalten und Strukturen stark unterscheiden, ist es lohnenswert, sich auf den jeweiligen Webseiten und an Informationsveranstaltungen fundiert zu informieren. Eine Übersicht über einige Angebote, Kosten und Lerninhalte bieten etwa die Seiten:
Doulas werden weder von Spitälern noch von Geburtshäusern angestellt. Sie arbeiten selbständig und müssen ihre Dienstleistung selbst vermarkten. «Es gibt wenige Doulas in der Schweiz, die davon leben können, alle anderen machen das nebenberuflich.» Vor der Begleitung werde jeweils eine feste Pauschale vereinbart, die zwischen 950 und 1800 Franken betrage. Das Paar muss dies aus der eigenen Tasche bezahlen, denn eine Begleitung wird in der Regel nicht von der Krankenkasse übernommen. Ein stattlicher Betrag, doch die Gegenleistung sei gross, findet Dolder. Wenn die Geburt als ein positives Ereignis in Erinnerung bleibe, sei das viel Wert. Und mit Geld kaum aufzuwägen. Sie zieht nach 16 Jahren als Doula eine positive Bilanz: «Diese Arbeit macht Sinn.»
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