Einer der Schwerpunkte des Instituts Kulturen der Alpen: die Rolle der Alpen für eine klimapositive Schweiz.
Einer der Schwerpunkte des Instituts Kulturen der Alpen: die Rolle der Alpen für eine klimapositive Schweiz. Credit: Marco Volken
Bildung

Wie leben wir künftig im alpinen Raum?

Nach drei Jahren Pilotphase ist das Urner Institut Kulturen der Alpen vor einem Jahr in den permanenten Betrieb übergegangen. Was das Institut mit den Seilbahnen im Schächental und einer geplanten Solaranlage in Pontresina zu tun hat und was das Besondere an der Altdorfer Einrichtung ist, erklärt Direktor Boris Previšić.

Heidi Schwaiger

Technofestival oder ratternder Zug? Wer den sphärischen Klängen der «Singenden Seile» lauscht, denkt kaum an rustikale Materialseilbahnen. Die Geräusche der Schächentaler Seilbahnen einzufangen war eines der ersten Projekte, das am Urner Institut Kulturen der Alpen gestartet wurde. Während drei Jahren hat Michel Roth von der Hochschule für Musik in Basel die Töne aufgezeichnet. Entstanden sind daraus ein Buch sowie eine Klanginstallation, die letzten August am Musikfestival Alpentöne in Altdorf zu hören war. Die «Seilbahn-Musik» sorgte international für Aufmerksamkeit, es wurden Techno-Tracks damit produziert, ein Urner DJ mischte sie live in Altdorf vor zahlreichem Publikum.

Kultur kein «softes» Thema

Die «Singenden Seile» ist nur eines von zahlreichen Projekten und Veranstaltungen, die in den vergangenen vier Jahren vom Urner Institut Kulturen der Alpen aufgegleist wurden. Nach drei Jahren Pilotphase ist das An-Institut der Universität Luzern Anfang 2023 in den permanenten Betrieb übergegangen, als erste tertiäre Bildungseinrichtung im Kanton. Finanziert wird sie vom Kanton Uri, der Dätwyler Stiftung, der Korporation Uri und der Korporation Ursern.

«Unsere Idee ist, immer zwei Schritte voraus zu sein und Inputs zu geben, wie wir als Gesellschaft auch in Zukunft im alpinen Raum leben können.»

Die Themenpalette ist breit, sie umfasst den Blick in die Vergangenheit, die Beobachtung der Gegenwart und Szenarien in der Zukunft. «Kultur ist überall», so der Direktor des Instituts, Prof. Dr. Boris Previšić. «Wir verstehen unter Kultur den menschlichen Umgang mit allen Ressourcen in den Alpen sowie dem Umgang mit der Topografie», erklärt der Kultur- und Literaturwissenschaftler, der die Gründung des Instituts in Altdorf vorangetrieben hat. Für ihn ist Kultur kein «softes» Thema, im Gegenteil: «Das Institut ist inter- sowie transdisziplinär ausgerichtet. Es betreibt somit vergleichende Grundlagenforschung im Austausch mit aktuellem Praxiswissen. Das ist einmalig in der Hochschullandschaft. Hier liegt unser USP.»

Forschung, Forum, Think-Tank

Untergebracht ist das junge Institut im Dätwyler Areal in Altdorf. In derselben Liegenschaft befinden sich ein Fitnessstudio sowie das Restaurant «Zum schwarzen Uristier». Der Blick schweift über die Berge, der Gotthardtunnel ist nah. Bis zu zehn Personen arbeiten in den drei Räumen des Instituts gleichzeitig, die meisten davon im Rahmen ihrer Doktoratsarbeit. Insgesamt 20 Dissertationen und Postdoc-Arbeiten sind am Institut an den Schnittstellen zwischen Geschichte, Anthropologie, Kultur- und Literaturwissenschaften und weiteren Fächern angesiedelt. «Die Nachfrage ist gross», so Previšić. Daneben betreibt das Institut Öffentlichkeitsarbeit und organisiert zahlreiche Veranstaltungen, vor allem in der Region.

Ein drittes Betätigungsfeld bildet der Think-Tank, unter anderem mit einem Schwerpunkt zur Rolle der Alpen für eine klimapositive Schweiz. «Wir versuchen zu begleiten und zu vermitteln. Beispielsweise bei einem Solarprojekt der Gemeinde Pontresina, die ihre Klimastrategie paradoxerweise wegen dem UNESCO-Weltkulturerbe Bernina bedroht sieht, obwohl die Energielandschaft wie der Lago Bianco ebenso dazu gehört.» Das Institut Kulturen der Alpen bringt seine Expertise ein und gibt Gedankenanstösse, etwa: Wie steht der Landschaftsschutz zum Netto-Null-Ziel? Oder: Reicht es, wenn die Gemeinde rein lokale Entscheidungen trifft? «Unsere Idee ist, immer zwei Schritte voraus zu sein und Inputs zu geben, wie wir als Gesellschaft auch in Zukunft im alpinen Raum leben können», erklärt der Institutsdirektor.

Biodiversität dank Pflege

Die Bilanz nach vier Jahren Betrieb sei durchweg positiv, so Previšić. Das Institut sei national mit regionalen, historisch ausgerichteten Einrichtungen sowie international vernetzt. Aus seiner Sicht ist das Thema Kultur im Alpenraum heute aktueller denn je. «Wir beschäftigen uns mit dem alpinen Raum als Lebensgrundlage, mit den notwendigen ökonomischen und sozialen Strukturen.» Dabei geht es ihm nicht einfach um den Naturschutz, sondern um die Biodiversität dank menschlicher Pflege. Er will, dass sich etwas bewegt, dass gemeinsame Nenner gefunden werden. «Ohne gewisse Anpassungen geht es nicht weiter», ist er überzeugt, gerade in Bezug auf das Klima. Man wolle Denkanstösse geben und dranbleiben. In ganz verschiedene Richtungen. Wie mit den einmaligen Seilbahnen im Schächental, die mit ihren Klängen weit weg von Uri, in andere Sphären entführen.

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