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Wildnis erleben am Ende der Welt

Neuseelands Südinsel ist mit seinen Bergen, Gletschern und Stränden ein Paradies für Tier- und Naturliebhaber*innen. Ideal erkunden lässt sich die wilde Insel mit dem Campervan.

Claudia Peter

Die Wellen tosen und schlagen schaumig auf den Sandstrand, ein kaltnasser Wind weht einem entgegen. Die Sonne geht langsam unter und taucht den Himmel in ein blasses Gelb, bevor es langsam immer dunkler wird. Auf Holzbänken am Strand rücken die Besucherinnen und Besucher näher zusammen, um der Kälte entgegenzuwirken, starren angestrengt in die Wellen – und warten. «Nach Sonnenuntergang, aber vor der kompletten Dunkelheit, kommen die Pinguine ans Land zurück», erklärt ein Ranger. «Dann sind sie vor den meisten Raubtieren sicher. Jetzt sollte es bald soweit sein.» Plötzlich geht ein Raunen durch die Menge, ein verzücktes Ausrufen. Aus einer Welle rappelt sich ein Zwergpinguin auf, watschelt schnellstmöglich den Strand hoch und schaut sich dann um. Er ist ganz alleine. «Normalerweise kommen die Zwergpinguine, oder Kororā, wie sie hier heissen, in Gruppen an Land», erklärt der Ranger. «Doch ein grosser Sturm vor ein paar Tagen hat die Gruppe allenfalls auseinandergerissen. Die letzten paar Tage kamen immer nur einzelne Pinguine zurück.» Den Besuchenden wird drastisch vor Augen geführt: Die Natur ist hier unberechenbar.

Die Zwergpinguine, oder Kororā, wie sie hier heissen, kommen nach Sonnenuntergang, normalerweise in Gruppen an Land.
Die Zwergpinguine, oder Kororā, wie sie hier heissen, kommen nach Sonnenuntergang, normalerweise in Gruppen an Land. Credit: Adobe Stock

Der Strand mit der Zwergpinguin-Kolonie liegt auf der Otago-Halbinsel auf Neuseelands Südinsel. Die Südinsel ist grösser als die Nordinsel, aber nur 25 Prozent der Bevölkerung des Landes leben hier. Die Natur hat viel Platz und ist rau, ungezähmt und unnachgiebig. Es ist allgemein kälter als auf der Nordinsel, es regnet, windet und schneit hier auch im Sommer mal. Touristen sind gut beraten, wetterfeste Kleidung und warme Schichten mitzubringen. Wer die weite Reise und das wechselhafte Wetter aber nicht scheut, der findet hier ein Naturparadies, das mit guter Infrastruktur und entspannter Atmosphäre trumpft. Hier findet man nur wenige Fahrstunden voneinander entfernt wilde Strände, verzahnte Fjordlandschaften, massive Gletscher, spektakuläre Bergketten und den einen oder anderen Drehort für «Herr der Ringe».

Im eigenen Tempo und flexibel

Besonders schön lässt sich Neuseelands Südinsel unabhängig von Hotels und Ortschaften im Campervan entdecken. Die Strassen sind gut ausgebaut und führen durch spektakuläre Landschaft. Ein dichtes Netz von öffentlichen und privaten Campingplätzen lässt eine spontane Reiseplanung zu. Dabei reicht die Infrastruktur von Luxusklasse mit Küchen, Aufenthaltsräumen und heissen Duschen bis hin zu blossen Stellplätzen mit rudimentären sanitären Anlagen, die dafür oft herrlich in der Wildnis liegen.

Wer einen Campervan mit Grauwassertank mietet, darf an gewissen Orten sogar wild campieren, wobei die Regeln von Bezirk zu Bezirk unterschiedlich sind. Gute Ausgangspunkte für Erkundungen im Land und für die Anmietung eines Campers sind je nach Ankunftsort Christchurch und Queenstown. Queenstown gilt als Abenteuerhauptstadt Neuseelands. Christchurch bietet sowohl kulinarisch als auch kulturell einiges für ein paar Tage im Ort.

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Ob in den Bergen, am Strand oder im Wald: Die Natur nimmt auf Neuseelands Südinsel viel Platz ein und ist rau und ungezähmt. Wer das nicht scheut, wird ein paradiesisches Gebiet entdecken.  Bilder: Claudia Peter

Mit dem Campervan kann man das Land im eigenen Tempo erkunden, auf Nebenstrassen wenig bekannte Strände und Campingsplätze entdecken und – fast am wichtigsten – flexibel auf das unstete Wetter reagieren. Bei Regen fahren wir in eines der kleinen Cafés, die es in jedem Dorf gibt, und geniessen ein warmes Frühstück oder frische Zimtschnecken. Bei Sonne hingegen heisst es ab zum nächsten Wanderweg-Startpunkt, um das Schönwetterfenster für einen kleinen oder grösseren Ausflug zu nutzen.

Die Klassiker Gletscher, Fjorde und Berge

Da sind zum einen die Klassiker: Gletscher, Fjorde und Berge, die man als Tourist*in gesehen haben muss, nicht nur, weil man es so macht, sondern weil sie eben auch wirklich sehenswert sind. Wir entscheiden uns für einen Trail zum Franz-Josef-Gletscher. Vom Parkplatz aus geht es über einen steilen Pfad durch den dichten Dschungel, über eine Hängebrücke und Holzstege, bevor man plötzlich auf einer Plattform steht und freie Sicht auf die gewaltige Eismasse hat. Weiter südlich lockt der Fiordland-Nationalpark mit dem berühmten Fjord Milford Sound – ein Unesco-Weltnaturerbe. Wobei dieser am besten mit einer Bootstour erkundet wird, um die Imposanz der steil abfallenden Felswände und Wasserfälle wirklich begreifen zu können.

Ebenso darf der Aoraki/Mount Cook Nationalpark bei einer Südinsel-Reise nicht fehlen. Zwar häufen sich hier die Touristenmassen etwas. Der Campingplatz ist gut besetzt, wir stehen Tür an Tür mit dem nächsten Campervan und das Dorf mit Besucherzentrum hat etwas von einem Rummelpark. Doch die Stimmung ist gut, alle sind aufgeregt und freuen sich, hier zu sein. Auf den Wanderwegen verteilen sich die Menschen schnell. Etwas Flexibilität bei der Reiseplanung lohnt sich auch hier: nur mit viel Glück oder Ausdauer erhascht man einen Blick auf den Aoraki, den berühmten, aber oft wolkenverhangenen höchsten Berg Neuseelands. Kürzere Wanderwege wie etwa der Hooker-Valley-Track führen zu den besten Aussichtspunkten. Wer ausdauernder ist, dem seien mehrtätige Wanderungen mit Übernachtung einer der vielen Berghütten, etwa die Mueller-Hut-Route, empfohlen.

Bei den bedrohten Pinguinen

Nicht verpassen sollte man auch den etwas stärker bewohnte Westen der Insel in der Nähe von Christchurch. Denn hier locken im Norden Surfstrände und eine entsprechend relaxte Café- und Restaurant-Szene. Im Süden rund um Dunedin hat man gute Chancen, Wildtiere zu sehen. Zum Beispiel bei den Zwergpinguinen von Otago. Neben diesen kleinsten Pinguinen der Welt ist die Halbinsel auch Zuhause einer Albatross-Kolonie. Das Royal Albatros Center bietet viel Informationen und geführte Touren an, während die grossen Vögel über das Gebäude segeln. An den Stränden der Halbinsel wiederum tummeln sich Seelöwen. Und in einem nahen Reservat brüten die vom Aussterben bedrohten Gelbaugenpinguine. Diese seltene Pinguinart wird auf neuseeländisch Hoiho genannt und gilt als äusserst scheu. Auf dem Durchgang durch das Reservat sehen wir sie nur von sehr weitem. Aus der Nähe begegnen wir ihnen im Pinguin-Rehabilitations-Center, wo verletzte Vögel gepflegt und dann wieder ausgewildert werden, und Besuchende viel über die Vögel erfahren.

Der seltene Gelbaugenpinguin wird auf neuseeländisch Hoiho genannt und gilt als äusserst scheu.
Der seltene Gelbaugenpinguin wird auf neuseeländisch Hoiho genannt und gilt als äusserst scheu. Credit: Adobe Stock

Tatsächlich am Ende der Welt angelangt sind wir schlussendlich beim Gentle Annie Beach im Nordwesten der Insel. Der pittoreske, umweltfreundliche Campingplatz wurde wiederholt zum beliebtesten des Landes gewählt. Und doch hat man hier im März viel Platz für sich. Im dazugehörigen Café kann man bei Regenwetter lesen, in der Bibliothek stöbern und die Sicht aufs Meer geniessen. Der lange Kiesstrand lädt zu ausgedehnten Spaziergängen ein. Von hier aus ist es nicht weit zu den berühmten Punakaiki Pancake Rocks, Felstürme, die wie aufgeschichtete Pfannkuchen aus dem Meer ragen. Auch der Pororari-Fluss, der sich durch grauen Kalkstein einen Weg geschaffen hat, kann von hier aus auf einem einfachen Wanderweg dem Flussufer entlang erkundet werden. Die Landschaft ist überraschend üppig grün und erinnert bei Sonnenschein an tropische Inseln und die wilde, unbewohnte Dschungellandschaft in «Jurassic Park». Zurück auf dem Gentle-Annie-Campingplatz erholen wir uns bei einem Lagerfeuer aus Schwemmholz am Strand, schauen den Sonnenuntergang und rösten Marshmallows. Wenn die Welt sich weiterbewegte, wir würden es nicht merken.

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