
Fliegen im Turbomodus
Das Turbo Vado 5.0 des US-amerikanischen Veloherstellers Specialized ist auf städtischem Pflaster ebenso geschmeidig unterwegs wie auf Feldwegen und Bergstrassen. Doch Vorsicht: Es kann Ihr Bewusstsein verändern.
Andreas Minder
Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Das – leicht verkürzte – Zitat eines Gesellschaftstheoretikers fiel mir ein, als ich mit dem Vado erstmals den Herrenschwanden-Stutz hinaufflog. Jawohl, flog. Normalerweise keuche ich hier auf meinem konventionellen Stahlross. Der Schnauf wird kürzer, der Kopf röter, die Muskeln blauer. Irgendwo im letzten Drittel dieser Alpe d’Huez des Berner Mittellands, werde ich regelmässig von einem E-Bike überholt. Kalt lächelnd, entspannt, arrogant, gleitet es vorbei. Über das, was mir jeweils zu den Menschen einfällt, die auf dem Sattel des elektrisch beschleunigten Rads sitzen, breiten wir den Mantel des Schweigens. Und nun bin ich es, der beim Überholen milde nach rechts schaut, den bösen Blick des armen Tropfs gelassen zur Kenntnis nimmt und dann im Turbo-Modus mit 25 Stundenkilometern an ihm vorbeibrettert. Das E-Bikefahrersein bestimmt jetzt mein Bewusstsein.
Auffällig ist, wie stark der Motor beim Anfahren zieht. Wechselt die Ampel auf Grün, kommt das Gefährt innert kürzester Zeit in Schwung, in den Kurven muss man aufpassen, um nicht Richtung Strassenmitte katapultiert zu werden. Am eindrücklichsten ist die elektrische Hilfe in Steigungen. Der Schub ist massiv. So massiv, dass man leicht enttäuscht ist, wenn es im Flachen danach nicht so flott weiter geht. Bei über 25 Stundenkilometern hört die Unterstützung auf, auch mit intensivstem Strampeln bringt man das Bike nicht auf 30. Da ist meditatives Loslassen gefragt, Jasagen zum gepflegten Gondeln. Dass es nicht rascher geht, ist gewollt. In der Schweiz gilt ein E-Bike, das bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 25 Stundenkilometern unterstützt als Leichtmotorfahrrad. Dafür braucht es, anders als bei den schnellen E-Bikes, weder Kontrollschild noch Führerschein.
Das Mastermind fährt mit
Wochenende, Zeit für den Härtetest. Das Ziel ist der Grenchenberg, 31 Kilometer und 1000 Höhenmeter entfernt. «Starke Steigungen», warnt Google Maps. Normalerweise Grund genug für mich, auf die Fahrt zu verzichten. Aber mit meinem neuen E-Bikefahrer-Bewusstsein: Easy! Mit einer 100-Prozent-Akkuladung geht es los. Über die Rolling Hills des Rapperswiler Plateaus und des Buechibergs cruist es sich mit dem Vado prächtig. Dass nach jedem Tal wieder ein Hügel kommt, ist kein Grund zur Sorge. Die Unterstützungsmodi Eco, Sport und Turbo und die 11 Gänge lassen sich so kombinieren, dass man immer mit vernünftigem Kraftaufwand vorankommt. Dabei hilft das in der Mitte der Gabel befestigte Display, das beim Vado Mastermind TCD (Turbo Connect Display) heisst. Es zeigt unter anderem die Trittfrequenz in Pedalumdrehungen pro Minute an. Ist sie im optimalen Bereich, erscheint die Zahl auf einer Leiste, die grün leuchtet. Für die Motorunterstützung und die Reichweite ist das ideal. Tritt man zu stark oder zu schwach in die Pedale, wechselt die Farbe zu warnendem Orange und Rot. Das Mastermind zeigt ausserdem die Geschwindigkeit, den Unterstützungsmodus und den Ladestand der Batterie an. Am abgefahrensten sind jedoch die Punkte, die sich am linken Rand des Displays von unten nach oben bewegen. Sie stehen für Autos, die sich von hinten nähern. Das Mastermind weiss Bescheid, weil am Gepäckträger ein Radar montiert ist, der Fahrzeuge ab 140 Meter Entfernung erkennt. Mehr noch: Er erkennt sogar, wenn ein Auto zu schnell fährt und zeigt es an.
Noch smarter wird das Mastermind, wenn man es mit dem Mobiltelefon verbindet. Dazu muss man die Mission Control App herunterladen. Sie zeichnet Fahrten detailliert auf, sie ermöglicht es Fahrerinnen und Fahrern, die Motorleistung auf ihre Bedürfnisse masszuschneidern, sie kann den Zustand des Bikes untersuchen und Störungen feststellen. Und und und. Für unbedarfte User wie mich des Guten zu viel.
Point of return
Ab dem Bahnhof Grenchen Nord geht es nur noch aufwärts. 830 zum Teil sehr steile Höhenmeter und die Terrasse des Restaurant Untergrenchenberg wartet. Mein Vertrauen ins Vado ist inzwischen unbegrenzt, ohne zu zögern, wechsle ich in den Turbo-Modus und los geht’s. Das Velo schiebt wie gewohnt, ich gewinne rasch an Höhe. Die Aussicht wird immer besser, zwischen den Bäumen taucht die Alpenkette auf. Nur etwas beginnt, die Freude zu trüben: Der Blick auf den Ladestand der Batterie. Die Prozente purzeln, offenbar frisst der Berg ordentlich Strom. Als die 50-Prozent-Grenze immer näher kommt, werde ich nachdenklich. Wie viele Prozent brauche ich, um es nach Hause zu schaffen?
Beim Restaurant Stierenberg habe ich noch 45 Prozent. Ich beschliesse, auf die letzten gut 200 Höhenmeter zu verzichten. Die Aussicht ist hier auch schön, es gibt eine Terrasse und das Rivella wird weiter oben nicht besser schmecken. Verdient habe ich mir die Erfrischung auch so: 600 Höhenmeter in 20 Minuten, nicht schlecht. Wobei: Habe wirklich ich mir etwas verdient? Oder war es vor allem das Vado? Auch das gehört zum E-Bikersein und -bewusstsein: Es macht bescheiden. Oder sollte es zumindest.
Fette Reifen, letzte Prozente
Nach kurzer Rast steige ich wieder auf den Sattel. Ich lasse es den Berg hinunter krachen. Mit dem Vado ist gut rasen. Die fetten Reifen geben eine gute Strassenlage, selbst über kurze Eisplatten sausen sie, ohne zu rutschen. Vor den Kurven ziehen die Bremsen tadellos. Im Nu bin ich unten und nun beginnt das grosse Zittern: Reicht es bis nach Hause? Ich schalte auf Eco, um zu sparen. Und trotzdem läuft der Countdown unbarmherzig weiter. Dass es recht kalt ist, hilft auch nicht. Kurz vor Schüpfen leuchtet die Ladestandanzeige orange: Die 15-Prozent-Grenze ist erreicht.
Weitere informationen
Das Turbo Vado 5.0 ist in verschiedenen Varianten verfügbar. Mit dem Turbo Vado 6.0 gibt es auch ein sogenanntes Speed-Pedelec, das bis 45 Stundenkilometer Motorunterstützung erhält.
Kurzentschlossen fahre ich zum Bahnhof und steige in den Zug, der gerade einfährt. Eine Station lang schone ich die Batterie. Dann sind es nur noch wenige Kilometer. Irgendwann wird die Anzeige rot: 10 Prozent. Die Unterstützung lässt spürbar nach. Oben am letzten Stützli vor dem Sweet Home sinkt die Akkukapazität auf 4 Prozent, der Motor hilft nicht mehr. Die letzten Meter bewege ich das Vado nur noch mit Muskelkraft. Dabei wird klar, dass es ein rechter Brocken ist. Dass der Motor ab 4 Prozent den Dienst quittiert, ist übrigens so vorgesehen und hat einen guten Grund: Den letzten Rest Strom braucht es, um die Beleuchtung aufrechtzuerhalten.
Nach einer Woche ist es Zeit, das Vado zurückzubringen. Die Testfahrten haben ein Ende, der Entzug beginnt. Mein Bewusstsein wird wieder vom stromlosen Velo bestimmt werden. Ein schmerzhafter Prozess. Mit einer Investition in der Höhe von 4600 Franken liesse er sich vermeiden.
Dieser Testbericht wurde von Tamedia Advertising erstellt und ist in der Saisonbeilage Frühling erschienen. Das E-Bike wurde uns freundlicherweise von Bikebox zur Verfügung gestellt.