Aus ökologischer und künstlerischer Sicht ein Volltreffer: Wer ein Original von Picasso kauft, hat danach viel weniger Geld für umweltschädlichen Konsum zur Verfügung und das Gemälde selbst tut der Natur auch kaum etwas an.
Aus ökologischer und künstlerischer Sicht ein Volltreffer: Wer ein Original von Picasso kauft, hat danach viel weniger Geld für umweltschädlichen Konsum zur Verfügung und das Gemälde selbst tut der Natur auch kaum etwas an. Credit: Adobe Stock
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«Leistet euch etwas!»

Konsum belastet die Umwelt. Wer den Schaden minimieren möchte, sollte nicht nur auf die Ökobilanz von Produkten und Dienst­leistungen schauen, sondern auch auf den Preis, rät Rainer Bunge, Professor für Umwelttechnik. Faustregel: je teurer, desto ökologischer.

Andreas Minder

Ein Auto, eine Hotelübernachtung, ein Französischkurs, ein Möbelstück: Wenn immer wir Geld ausgeben, werden Ressourcen verbraucht und Emissionen ausgestossen. Das Ausmass der Umweltbelastung lässt sich in Ökobilanzen ausdrücken. Wer sich ein bisschen mit solchen Fragen auseinandersetzt, weiss: Fleisch, Verbrennungsmotoren und viel Wohnfläche schneiden schlecht ab. Für einen klimabesorgten Menschen scheint die Schlussfolgerung nahezuliegen: Möglichst wenig konsumieren und wenn, nur Dinge mit einer guten Ökobilanz.

Rainer Bunge, Professor für Umwelttechnik an der Ostschweizer Fachhochschule hält das für einen Kurzschluss. Mit Verzicht werde Konsum nur zeitlich verschoben. Denn wenn jemand tatsächlich bis an sein Lebensende in grosser Bescheidenheit lebe, würden die Nachkommen das Erbe oftmals in Reisen, Autos und Partys stecken. Weniger Konsum hält Bunge nur dann für realisierbar, wenn jemand weniger einnimmt, etwa durch Teilzeitarbeit oder Frühpensionierung. Oder wenn das Geld für etwas eingesetzt wird, das der Umwelt nützt.

«Das Resultat ist kontraintuitiv und wird oft mit ungläubigem Staunen zur Kenntnis genommen.»

Ein Beispiel dafür sind CO2-Zertifikate, mit denen etwa die Emissionen von Flugreisen kompensiert werden können. Oder der Kauf von Verschmutzungsrechten aus Emissionshandelssystemen (siehe Kasten). Bunge geht jedoch davon aus, dass die meisten Menschen nicht bereit sind, grössere Anteile ihres Einkommens für etwas auszugeben, das für sie keinen unmittelbaren Nutzen hat.

Schaden im Portemonnaie

Sollte diese mässig umweltfreundliche Bevölkerungsmehrheit dann nicht wenigstens Dinge mit guter Ökobilanz kaufen? Smart statt Porsche? «Nein», sagt Bunge. Das sei der zweite Teil des Kurzschlusses, wie seine Studien zeigten. Denn beim Konsum komme es nicht nur auf die Umweltbelastung an, die das gekaufte Produkt auslöse, sondern auch auf den «Schaden», den es im Portemonnaie der Käuferinnen und Käufer anrichtet. Das Beispiel der Autos zeigt: Der Porsche belastet die Umwelt zwar fast doppelt so stark wir der Smart, aber er kostet mehr als fünf Mal so viel. Wer sich das Luxusauto leistet, hat also nach dem Kauf weniger Geld zur Verfügung, mit dem er oder sie weitere umweltschädliche Dinge kaufen kann.

Rainer Bunge empfiehlt, Geld für Erlebnisse auszugeben statt für materielle Dinge.
Rainer Bunge empfiehlt, Geld für Erlebnisse auszugeben statt für materielle Dinge.

Um die Ökobilanz und den «Geldvernichtungseffekt» von Konsum erfassen zu können, hat Rainer Bunge einen eigenen Indikator entwickelt: den «Specific Eco Cost Indicator» (SECI). Er gibt an, wie stark die Umwelt pro Euro beim Kauf eines bestimmten Produktes belastet wird. Bunge hat errechnet, dass ein Euro durchschnittlich 500 Umweltbelastungspunkte (UBP) verursacht. UBP sind ein gebräuchliches Mass, um anzugeben, wie schädlich ein Produkt (oder eine Handlung) für die Umwelt ist. Dabei werden alle Stoff- und Energieflüsse berücksichtigt, von der Gewinnung der Rohstoffe über die Produktion und den Gebrauch bis zur Entsorgung. Hinter den UBP stecken komplizierte Berechnungen. Das Resultat ist eine Kenngrösse, mit der sich die verschiedensten Arten von Konsum vergleichen lassen. 1000 UBP entsprechen zum Beispiel einer Autofahrt von 2 Kilometern, einer Zugfahrt von 23 Kilometern, 100 Gramm Seife, 9 Gramm Rindfleisch oder 7 Tassen Kaffee.

Geld und Treibhausgas gleichzeitig verringern

Wer sein Geld besonders nachhaltig loswerden will, kauft Verschmutzungszertifikate eines Emissionshandelssystems. Sowohl die Schweiz als auch die EU haben solche Systeme. Sie sind miteinander verbunden und funktionieren so: Die Schweiz bzw. die EU legen eine Obergrenze für die Treibhausgasemissionen fest, die von den energieintensiven Industrien ausgestossen werden dürfen. Diese Obergrenze wird über die Jahre gesenkt. Die einzelnen Unternehmen erhalten von ihrem jeweiligen Staat nach Massgabe der Obergrenze eine «Lizenz zum Verschmutzen». Stösst ein Unternehmen mehr aus, als ihm zugeteilt wird, kann es weitere Emissionsrechte kaufen, braucht es nicht alle, kann es sie verkaufen. Wegen der sinkenden Obergrenze werden die Emissionsrechte knapper und ihr Preis steigt. Dies wiederum ist ein Anreiz für die Firmen, auf emissionsarme Technologien und Produktionsweisen umzustellen.

Der deutsche Verein Compensators will diesen Prozess beschleunigen. Er sammelt Spenden, kauft damit Zertifikate und legt sie still. Das bedeutet, dass entsprechend weniger Treibhausgas ausgestossen werden. Gleichzeitig werden die Zertifikate rascher knapp und teuer, was den Wandel zu einer umweltfreundlicheren Wirtschaft weiter beschleunigen soll. Der Preis für eine Tonne CO2 schwankt täglich. Gegenwärtig liegt er bei gegen 100 Euro.

Nähere Informationen:

Zurück zum Vergleich von Smart und Porsche. Nehmen wir an, zwei Personen hätten im Lotto viel Geld gewonnen. Was tun damit? Halten wir uns der Einfachheit halber an stereotype Vorstellungen. Einer der Glücklichen ist ein testosterongesteuerter Mann. Er kauft sich den Porsche und gibt dafür pro Jahr für Benzin, Unterhalt und Amortisation 21 000 Euro aus – und verursacht einen Umweltschaden von etwa 7 Millionen UBP. Die zweite Person, die im Lotto gewonnen hat, ist eine umweltbewusste Frau. Sie entscheide sich für den Smart. Die jährlichen Kosten belaufen sich auf 4000 Euro, der Umweltschaden beträgt 4,5 Millionen UBP, also nur ein gutes Drittel von denen des Porsches. Fall abgeschlossen. Die Frau gewinnt den Ökopokal! Oder? Gemach, es fehlt noch der Aspekt der Geldvernichtung. Die smartfahrende Frau hat im Vergleich zum Porschefahrer 17 000 Euro gespart. Wenn sie dieses Geld für einen durchschnittlich umweltbelastenden Konsummix ausgibt (500 UBP pro Euro), kommt sie auf einen Gesamtumweltschaden von 13 Millionen UBP. Fast doppelt so viel wie der Porschefahrer.

Picasso statt Poster

«Das Resultat ist kontraintuitiv und wird oft mit ungläubigem Staunen zur Kenntnis genommen», sagt Bunge. Doch für ihn ist klar: «Es ist für die Umwelt am besten, teure Produkte zu kaufen.» Häufig sogar dann, wenn ihre Ökobilanz schlecht ist. Noch besser sieht es aus, wenn das teure Produkt auch punkto UBP gut abschneidet. Wie Kunst zum Beispiel. Ein echter Picasso vernichtet Unmengen Geld und verursacht kaum mehr UBP als ein Picasso-Poster. Ebenfalls zu empfehlen sind Luxusuhren und massgeschneiderte Kleider.

Ökologisch gut stehen auch Dienstleistungen da. Auswärts essen ist besser, als zuhause kochen, ein Taxi nehmen, besser als sich selbst ans Steuer setzen. Auch Massagen, Therapien und Kurse vernichten mehr Geld als Umwelt. Und sie machen Freude. Diesbezüglich stimmten die Ergebnisse der Glücksforschung mit seinen Erkenntnissen überein, sagt Bunge: «Müllt euch nicht mit materiellen Dingen zu, sondern leistet euch Erlebnisse. Die bleiben hängen.» Seine eigene Erfahrung bestätige dies. «Die Rockkonzerte, für die ich als Student ein gefühltes Vermögen ausgegeben habe, sind mir in Erinnerung geblieben. Mein zweites Motorrad habe ich längstens vergessen.»

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