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Mittels DNA-Sequenzierung zur personalisierten Krebstherapie

Früherkennung ist die beste Waffe im Kampf gegen den Krebs. Intensive wissenschaftliche Forschungen im Bereich der Genomsequenzierung bieten dabei eine entscheidende Hilfe. Die BAZ befragte Professor Abdullah Kahraman, der an der Hochschule für Life Sciences der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW zu diesem Thema forscht.

Interview: Fredy Gilgen

Herr Kahraman, der Krebs ist offenbar weiter im Vormarsch. Hat die Wissenschaft eine Chance, diesen Vormarsch zu bremsen?
Abdullah Kahraman: Krebs ist ein Teil des Lebens auf der Erde. Schon Dinosaurier litten an Tumoren, wie wir heute wissen. Das Ausradieren von Krebs wird also nicht möglich sein, aber mithilfe der Wissenschaft werden wir es schaffen, seine Verbreitung weiter einzudämmen. Es braucht einfach mehr Zeit. Die Sequenz der menschlichen DNA und die daraus resultierende Möglichkeit, DNA in Krebszellen zu sequenzieren, ist erst zwanzig Jahre alt.

Wenn man das in Relation setzt zu den zehn Jahren, die es braucht, ein Medikament zu entwickeln, hat die Wissenschaft in den letzten zwanzig Jahren Grossartiges geleistet. Heute sind rund neunzig personalisierte Krebsmedikamente von der Swissmedic zugelassen, und es werden jedes Jahr mehr.

Welchen Beitrag können Sie und Ihr Forschungsteam an der Hochschule für Life Sciences FHNW dabei leisten?
Unsere Hochschule in Muttenz besitzt die neuesten Technologien für die Sequenzierung von DNA-Molekülen. Diese Verfahren sind Schlüssel für die heutige verbesserte Krebsdiagnostik. Sie erlauben es, die DNA von Krebszellen zu sequenzieren und in ihnen nach Hinweisen für die Wirksamkeit von personalisierten Therapien zu suchen. In meiner Forschungsgruppe entwickeln wir Computerprogramme, Algorithmen und Datenbanken, um solche Sequenzdaten zu analysieren.

Sie sprechen von verbesserter Krebsdiagnostik dank umfangreicher DNA-Sequenzierung. Was geschieht da genau?
Entscheidend für die Entwicklung eines Tumors sind Veränderungen in der DNA. Ziel der diagnostischen DNA-Sequenzierung ist daher, diese Veränderungen zu erkennen. Im ersten Schritt wird dazu die zwei Meter lange DNA aus den Zellen rausgefischt und in kleine Bruchstücke geteilt. An den Enden werden die Bruchstücke mit DNA-Fragmenten spezifisch für den Patienten barcodiert und mit zusätzlichen DNA-Fragmenten bestückt, die es den Bruchstücken erlauben, auf kleinen Glasplättchen zu kleben.

Abdullah Kahraman entwickelt Computerprogramme 
und Algorithmen um DNA Sequenzdaten von Krebszellen zu erforschen.
Abdullah Kahraman entwickelt Computerprogramme und Algorithmen um DNA Sequenzdaten von Krebszellen zu erforschen. Credit: Nicolas Righetti/Lundi13.ch

Anschliessend werden diese mit DNA bestückten Glasplättchen in einen DNA-Sequenzierer geladen und mithilfe von vier verschiedenen Lichtwellen, die jeweils nur bei A, T, G oder C leuchten, bestrahlt. Die Aneinanderreihung der Leuchtfarben gibt dann die Sequenz jedes DNA-Bruchstücks auf den Glasplättchen wieder. Mithilfe der Bioinformatik können wir dann die Sequenzen mit der bekannten humanen DNA-Sequenz vergleichen und jene Stellen eruieren, die ein falsches A, T, G, oder C besitzen.

Das tönt sehr komplex, können Sie weiter erläutern, voran Sie genau forschen?
Nicht nur DNA-Sequenzen ändern sich in Krebszellen, sondern auch RNA-Moleküle unterliegen Veränderungen. So können sich zum Beispiel die Länge und die Anzahl der RNA-Moleküle je nach Krebsart unterscheiden. In unserer Forschung versuchen wir zu verstehen, welche Konsequenzen solche RNA-Veränderungen in Krebszellen haben. Seit kurzem verwenden wir dafür eine neue Technologie, die komplette Sequenzen einzelner RNA-Moleküle in einzelnen Zellen bestimmen kann. Ziel unserer Forschung ist es, festzustellen, wieweit die RNA-Veränderungen zwischen Tumorzellen sich unterscheiden, wie wichtig diese Veränderungen für die Resistenzbildung und die Wirksamkeit einzelner Krebsmedikamente sind und ob wir diese Veränderungen im Blut frühzeitig erkennen können. Denn die effektivste Waffe gegen Krebs ist immer noch die frühe Diagnostik und das chirurgische Entfernen des Tumors, bevor er in den ganzen Körper streut.

In welchem Stadium ist Ihre Forschung?
Die vorhin genannte neue Sequenzierungstechnologie ist erst seit ein paar Monaten auf dem Markt. Wir haben in dieser Woche die ersten Rohdaten generiert und sind jetzt dabei, sie zu analysieren. Erste Einschätzungen deuten darauf hin, dass wir komplett neue RNA-Moleküle gefunden haben, die im Nierenkrebs noch nie beobachtet wurden. Ich bin begeistert von dieser Entdeckung.

Zur Person

Abdullah Kahraman ist seit 2023 Dozent für Humangenetik an der Hochschule für Life Sciences FHNW in Muttenz und Arbeitsgruppenleiter Data Science in Life Sciences. Vor seiner Tätigkeit in Muttenz war er Leiter in der Bioinformatik am Institut für Pathologie und Molekularpatho­logie am Universitätsspital Zürich. Seine Studien absolvierte der gebürtige Deutsche in Giessen, Cambridge (UK), ETH und UZH.

Wir müssen aber die Ergebnisse noch intensiv validieren und verstehen, welche Funktionen diese neuen RNA-Moleküle haben. In einem zweiten Projekt versuchen wir krebsspezifische RNA-Moleküle, die wir im internationalen Krebsgenomik-Konsortium in Eierstock- und Hautkrebs entdeckt haben, mittels komplementärer Experimente zu validieren. Da wir auch Daten von Medikamententests für diese Proben haben, ist es unser Ziel, den Zusammenhang zwischen krebsspezifischen RNA-Molekülen und das Ansprechen von Tumoren auf Krebsmedikamente zu erkennen und vorherzusagen.

Wie und wo können Sie auch künstliche Intelligenz (KI) einsetzen?
Wir verwenden KI, insbesondere bei der Auswertung unserer Daten. Typischerweise sind die Daten, mit denen wir arbeiten, mehrere Hundert Terabyte gross. Zum Vergleich: Gängige Computerfestplatten haben nur eine Kapazität von 1 bis 10 Terabyte. Das Auffinden von Mustern, zum Beispiel zur Krebsfrüherkennung, in diesen grossen Datenmengen ist nur über KI möglich. Wir benutzen KI-Methoden aber auch zum Aufstellen von Vorhersagemodellen, mit denen wir die Wechselwirkung zwischen RNA-Molekülen und Medikamenten vorhersagen.

Ziel sei es unter anderem, Krebsleiden früh zu erkennen und personalisierte Therapien für jeden Tumor eines Patienten zu entwickeln. Sind aber personalisierte Therapien nicht auch besonders teuer?
Ja, Sie haben Recht, dass personalisierte Therapien in der Anschaffung teurer sind als Chemotherapien, die schon für ein paar Franken zu haben sind. Jedoch muss man eine Krebstherapie weiter fassen und darf sie nicht auf den Kauf des Wirkstoffs eingrenzen. Chemotherapien wirken ungezielt auf alle sich schnell teilenden Körperzellen. Das bringt Nebenwirkungen mit sich wie Haarverlust, Blutarmut etc. Oft haben Patienten mit diesen Nebenwirkungen ihr ganzes Leben zu kämpfen.

Haben personalisierte Therapien denn weniger Nebenwirkungen?
Ja, sie greifen Krebszellen gezielt an, haben viel weniger Nebenwirkungen und erzielen eine schnelle Wirkung bei den meisten Patienten, für die sie geeignet sind. Dadurch entfällt die Suche nach wirkungsvollen Therapien. Das spart nicht nur Kosten, sondern schenkt auch dem Patienten wertvolle Lebenszeit. Personalisierte Therapien bergen aber auch Risiken und können zum Beispiel Resistenzen hervorrufen oder Tumorzellen zurücklassen, die zum Rückfall der Krebserkrankung führen.

Ist die Hoffnung berechtigt, dass durch diese neuen Ansätze in der Krebsforschung künftig viele Krebsarten therapiert werden können?
Ja, absolut. Insbesondere die Fähigkeit, einzelne Krebszellen aus komplexen Tumoren zu sequenzieren und zu charakterisieren, erlaubt es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nun zum ersten Mal, die Vielfalt der verschiedenen Zellen in Tumoren detailliert zu verstehen und deren Wechselwirkung zu untersuchen. Wir haben jetzt das Werkzeug, um zum Beispiel die Erschöpfung von Immunzellen zu untersuchen, resistente Krebszellen zu identifizieren und Stammzellen in Tumoren zu erkennen, die für die Rückkehr von Krebserkrankungen verantwortlich sind. Mithilfe dieser neuen Kenntnisse wird es uns gelingen, neue Therapien zu entwickeln, die die Sterberate von Krebspatienten weiter reduzieren werden.

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