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«Ältere Menschen beweisen für eine belebte Sexualität sehr viel Fantasie»

Es gibt viele gute Gründe, auch jenseits der 65 sexuell aktiv zu sein. So soll Sex das Immunsystem stärken, beim Entspannen und Einschlafen helfen und jung halten. Doch haben ältere Semester überhaupt noch Sex, oder herrscht Flaute in deren Betten? Elke Krause, Oberärztin am Inselspital Bern, berät Paare zu ihrem Sexualleben.

Interview: Alexandra Bucher

Dr. Krause, wenn Menschen älter werden, kommt es zu hormonellen und körperlichen Veränderungen, die eng mit der Sexualität verknüpft sind. Welche sind das?
Der menschliche Körper verändert sich über das ganze Leben hinweg unaufhörlich, das ist etwas ganz Normales. Aber die Wechseljahre, die am Ende des vierten Lebensjahrzehnts beginnen und mehrere Jahre dauern, bringen anhaltende Umstellungen mit sich. Um nur einige zu nennen: Bei den Frauen bleibt die Menstruation aus und die Scheide ist trockener, bei Männern können sich Erektionsstörungen bemerkbar machen.

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Was bedeutet das für die Partnerschaft und die Sexualität?
Das ist sehr unterschiedlich. Manche Menschen, gerade Frauen, haben mit ihrem veränderten Körper oft grosse Schwierigkeiten. Sie sagen: «Mein Körperbild wird ganz anders. Ich fühle mich nicht mehr attraktiv, nicht mehr sexy.» Sie können sich nicht vorstellen, dass ihr Partner sie noch begehrt. Andere akzeptieren die neue Situation und sind sogar froh, haben sie den monatlichen Stress mit der Menstruation nicht mehr. Oder sie schätzen, dass sie sich keine Sorgen mehr um die Verhütung machen müssen.

Welche Rolle spielen Emotionen und Befindlichkeiten, wenn es um das sexuelle Verlangen geht?
Psychische Faktoren spielen eine grosse Rolle. Vieles steht und fällt damit, ob sich zwei Menschen selbst und gegenseitig noch attraktiv finden. Im Zuge des Alterns ist man vielleicht nicht mehr so aktiv, die Körperproportionen verändern sich, man ist unbeweglicher und nimmt leichter an Gewicht zu. Das kann dazu führen, dass man unzufrieden mit sich selbst oder mit dem Partner, der Partnerin ist und nicht mehr so richtig Lust auf Sex hat.

Zur Person

Dr. med. Elke Krause ist Oberärztin und ärztliche Leiterin des Ambulatoriums Gynäkologie, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Insel­spital Bern. In ihrer medizinischen Sexualsprechstunde berät sie Frauen und Paare bei physischen, funktionellen sexuellen Störungen und bei Störungen in Zusammenhang mit körperlichen Erkran­kungen oder verursacht durch Therapien und Medikamente.

Was raten Sie in einer solchen Situation?
Wenn ein Paar in der Beratung äussert, es klappe nicht mehr ganz so gut mit der Sexualität, müssen wir zuerst einmal herausfinden, woran es liegt. Für viele ist sehr wichtig, wie sie sich dem Partner präsentieren. Während der Beratung finden wir oft eine Klärung. Wenn beispielsweise eine Frau in meiner Sprechstunde sagt, dass sie sich dick und faltig fühlt, können wir den Partner fragen, wie er empfindet. Oft kommt als Antwort etwas im Sinn von: «Das macht mir doch gar nichts aus. Du bist meine Frau, und ich finde, du siehst immer noch toll aus!»

Aber was, wenn man den Partner oder die Partnerin im Zuge des Älterwerdens mit anderen Augen sieht?
Tatsächlich gibt es immer wieder Frauen, die sagen, sie fänden ihren Mann nicht mehr attraktiv, er löse keine erotischen Gefühle mehr aus und eigentlich wollen sie gar keinen Sex mehr mit ihm haben. Das geben sie oft nicht gern zu. Aber es hilft, dass sie es ansprechen. Denn gemeinsam können wir schauen, ob wir irgendetwas tun können.

«Der Klassiker in meiner Sexualsprechstunde: ‹Er duscht nicht mehr und putzt sich nicht mehr die Zähne. Da habe ich überhaupt keine Lust mehr auf Sex.»

Was zum Beispiel?
Vielleicht kann der Partner aufgefordert werden, aktiver zu werden und ein bisschen abzunehmen. Oder der Klassiker – den höre ich in der Sprechstunde immer wieder von der Frau: «Er duscht nicht mehr und putzt sich nicht mehr die Zähne. Da habe ich überhaupt keine Lust mehr auf Sex.» Der Mann staunt jeweils nicht schlecht. «Was? Das habe ich gar nicht gemerkt?! Wieso sagst du denn nichts?» Also ermutige ich, da wieder vermehrt darauf zu achten. Das sind manchmal gar nicht so grosse Dinge. Für die Paare ist es hilfreich, wenn ich als vermittelnde Person dabeisitze. Denn ein solch heikles Thema am Küchentisch anzusprechen, würden sich die meisten nicht trauen. In unserer Sexualberatung können wir puffern und relativieren.

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Wie verändert sich bei Paaren in der zweiten Lebenshälfte im Allgemeinen der Sex?
Es gibt eine Schweizer Studie über Alterssexualität aus dem Jahr 2009. Im Rahmen dieses Forschungsprojekts wurden rund 1500 Frauen und Männer im Alter zwischen 45 und 91 Jahren aus der Deutschschweiz befragt. Hierbei hat sich klar gezeigt: Paare, die schon ihr ganzes Leben lang sexuell aktiv waren, sind es im Alter weiterhin. Wenn ein Paar mit den Veränderungen des jeweiligen Partners, der Partnerin ein Leben lang umgehen konnte, werden sich Zuneigung, Zärtlichkeit und Sexualität im Alter nicht ändern. Allerdings nimmt die Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs ab. Hatten zwei Menschen vorher dreimal in der Woche Sex, kann es sein, dass sie nun nur noch einmal pro Monat miteinander ins Bett gehen.

Die Sexualität schläft also nicht zwangsläufig ein, wenn Menschen in die Jahre kommen?
Nein, absolut nicht. Es ist zwar so, dass sich die Sexualität verändert; aufgegeben wird sie aber nicht – das gilt selbst für 90-Jährige. Klar, Seniorinnen und Senioren verfügen nicht mehr über die gleiche körperliche Beweglichkeit wie ein junges Paar. Vielleicht ist diese oder jene Stellung wegen einer Hüftarthrose nicht mehr möglich. Doch beweisen ältere Menschen sehr viel Fantasie und finden einen Weg.

Gut beraten rund um Sexualität im Alter

Körperliche und persönliche Veränderungen und Herausforderungen im zunehmenden Lebensalter können verbunden sein mit Verunsicherungen und Schwierigkeiten in der Sexualität.

Entsprechend bieten die meisten grösseren Spitäler sexualmedizinische Sprechstunden an.

Während in den Sexualsprechstunden auf der Gynäkologie der Fokus auf der Frau respektive auf dem Paar liegt, steht in den Sexualsprechstunden auf der Urologie der Mann respektive das Paar im Vordergrund.

Am Zentrum für sexuelle Gesundheit des Inselspitals Bern können sich Frauen, Männer und Paare in Einzel- und Paarsitzungen kostenlos und ohne ärztliche Zuweisung beraten lassen. Hierbei wird die individuelle Situation unter psychosozialen und medizinischen Gesichtspunkten besprochen.

Kontakt: +41 31 632 12 60, E-Mail: sexuelle-gesundheit-bern@insel.ch

Kann auch eine freund­schaftliche Beziehung ohne Sex ein Weg sein?
Es gibt viele Paare, die sich auf einer freundschaftlichen Ebene gefunden haben und bei denen der Sex tatsächlich kein Thema mehr ist. Sie sagen sich: «Es ist okay, wir sind jetzt 30, 40, 50 Jahre zusammen – wir werden uns ganz sicher nicht mehr trennen, auch wenn wir keinen Sex mehr haben.» Das finde ich völlig legitim. Wichtig ist nur, dass es für beide Seiten stimmt und die Partner es gegenseitig aussprechen; nicht, dass der eine denkt, vielleicht hat der andere ja doch noch gewisse Erwartungen und Hoffnungen. Kommunikation in der Paarbeziehung ist das A und O, auch bezüglich Sex.

Wenn sie ihn noch haben: Wie zufrieden sind ältere Menschen mit dem Sex?
Die erwähnte Studie hat gezeigt, dass es eine grosse Zufriedenheit gibt bei den Paaren, die Sex haben. Sie sehen zwar, dass es vielleicht nicht mehr ganz das ist, was sie mit 30 hatten. Aber sie sind damit, wie sie sich körperlich begegnen, sehr zufrieden. «Weniger ist mehr» kann eine Erfüllung bringen. Der Partner, die Partnerin ist noch da, man kann zärtlich miteinander sein, kann miteinander schmusen – das ist vielen Paaren viel wichtiger als der eigentliche Geschlechtsakt.

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