Reto Oswald bezeichnet die Lauberhornrennen als «grösste logistische Herausforderung» des Jahres.» 
Das gesamte Material wird per Zug ins autofreie Wengen geliefert. Der kleine Umschlagplatz beim Bahnhof ist dann jeweils fast täglich bis an seine Grenzen gefüllt.
Reto Oswald bezeichnet die Lauberhornrennen als «grösste logistische Herausforderung» des Jahres.» Das gesamte Material wird per Zug ins autofreie Wengen geliefert. Der kleine Umschlagplatz beim Bahnhof ist dann jeweils fast täglich bis an seine Grenzen gefüllt. Credit: zvg
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Für Skifans aus aller Welt ist vom 11. bis zum 14. Januar Lauberhorn-Wochenende. Für die vielen Menschen, die sich für das Gelingen der Veranstaltung engagieren, geht es aber schon Monate vorher los.

Text: Erik Brühlmann

Ein sonniger Tag Ende November. In Lauterbrunnen unterhalb von Wengen ist gerade das erste Mal in diesem Winter so richtig Schnee gefallen. Die noch wenigen Tourist*innen sind dick eingepackt und erinnern an das berühmte Michelin-Männchen. Bei jedem Schritt knirscht es unter den Stiefeln. «Wir eröffnen am Wochenende die Saison», sagt Reto Oswald. Der neue Leiter Güter und Spezialtransporte bei den Jungfraubahnen ist dafür verantwortlich, dass die rund 1500 Tonnen Material, die für die Lauberhornrennen benötigt werden, vollständig und pünktlich nach Wengen gelangen – mit dem Zug natürlich, denn Wengen ist autofrei. «Die ersten Transporte wickeln wir schon Anfang Oktober ab», sagt Oswald. «Meist handelt es sich um Material für die Tribünen, vor allem für jene in der Fanzone Girmschbiel beim Hundschopf.» Die Transporte auf den Berg und vom Berg wieder hinunter dauern bis Ende Februar.

Verladen, ohne zu stören

Der Grossteil des Materials wird im Dezember mit Lastwagen nach Lauterbrunnen geliefert. Dann ist der kleine Umschlagplatz beim Bahnhof fast täglich bis an seine Grenzen gefüllt. «Es gab schon Tage, da sagte ich zu meinem Team: Leute, das schaffen wir bis zum Abend nicht», gesteht Reto Oswald. Die Antwort seiner neun ständigen Mitarbeitenden: «Doch, schaffen wir!» Es bleibt ja auch gar nichts anderes übrig, denn gerade im Dezember kommt es darauf an, die richtigen Komponenten zur richtigen Zeit zu liefern, damit der Aufbau am Berg wie geplant laufen kann. Dann unterstützt das Lauberhorn-OK mit zusätzlichen Leuten den Güterumschlag.

«Alle Beteiligten funktionieren als ein grosses, hochmotiviertes, eingespieltes Team.»

Eine zusätzliche Herausforderung für den Gütertransport sind die Menschen – Einheimische und Tourist*innen –, die sich mit den regulären Personenzügen im Halbstundentakt auf den Weg in den Skiort machen. «Beim normalen Betrieb können wir natürlich keine Abstriche machen», sagt Reto Oswald, «deswegen müssen wir das Material vorher, nachher und dazwischen transportieren.» Viel Verkehr auf einer weitgehend eingleisigen Strecke. «Alle Beteiligten funktionieren als ein grosses, hochmotiviertes, eingespieltes Team. Nur so ist es möglich, dies alles zu bewältigen.» Kein Wunder, bezeichnet der Leiter Güter und Spezialtransporte die Zeit rund um die Rennen als die grösste logistische Herausforderung des Jahres.

Immer erreichbar

Oben in Wengen ist Peter Eichenberger seit sieben Jahren der «Tätschmeister», wenn es ums Material für die Lauberhornrennen geht. Eichenberger ist im Sommer Landwirt und im Winter als Materialchef stets darüber im Bild, was wo gebraucht wird und wie er Fehlendes am schnellsten auftreiben kann – wenn es sein muss auch zu unmöglichen Zeiten. «Kommt zum Beispiel morgens um 4 Uhr ein Anruf, dass eine Schneefräse kaputt ist, mache ich mich auf den Weg ins Magazin im alten Gebäude der Männlichenbahn und repariere sie», erzählt er.

Ein Bad in der Menge: Beat Feuz wird 2019 in Wengen bei der Siegerehrung von seinen vielen Fans gefeiert.
Ein Bad in der Menge: Beat Feuz wird 2019 in Wengen bei der Siegerehrung von seinen vielen Fans gefeiert. Credit: Keystone

Zwei Österreicher stehen auf dem Siegertreppchen, aber es findet sich nur eine Flagge? Peter Eichenberger findet eine Lösung. Der Rennleiter verlangt nach einem Sonnenschirm? Der Materialchef organisiert ihn. «Es braucht halt ein bisschen Herzblut für den Skirennsport und die Rennen am Lauberhorn», sagt er. Und einen Hang zum Perfektionismus, denn der Materialchef sorgt dafür, dass solche Patzer nicht zweimal vorkommen.

Vorhersehbar ist bei seinem Job nur das Unvorhersehbare. An manchen Tagen macht Eichenberger im Büro schon Bestellungen für das Rennen im kommenden Jahr, an anderen Tagen organisiert und dirigiert er die Materialtransporte vom Bahnhof Wengen in den Zielraum oder an die Standorte auf den Pisten. Bis ein Anruf kommt und er irgendwo eine Schraube, eine Öse oder ein Werkzeug beschaffen muss. «Ich habe sämtliche Freiheiten», sagt er, «am Ende muss einfach alles parat sein und funktionieren.»

Material kommt per Zug

Peter Eichenberger hat zwar zwei, drei Helikopter der Air Glacier zu seiner Verfügung, doch diese nutzt er nur, wenn es gar nicht anders geht. «Weit über 90 Prozent des gesamten Materials kommt mit dem Zug nach Wengen», sagt er. Und wird vom Bahnhof aus so schnell wie möglich verteilt, denn auch hier sollen die Gäste möglichst wenig durch die Aufbauarbeiten eingeschränkt werden. Hilfreich ist, dass er jedes Jahr weitgehend auf dasselbe Team zurückgreifen kann.

«Das macht die Sache einfacher, denn so kann ich auch einmal ein bisschen Arbeit abgeben, und ich weiss, dass sie gut erledigt wird», sagt der Materialchef. Fast ebenso stressig wie der Aufbau ist der Abbau und Rückschub nach dem Rennen. Dann muss Eichenberger entscheiden, was gemietet ist und zurück muss, was in den Pool von Swiss Ski in Biel überführt gehört und was bis zum nächsten Jahr vor Ort bleibt – in einer der Hütten, die entlang der Piste verteilt sind. «Im Frühling erstelle ich dann von allen Hütten eine Inventarliste, damit ich für den nächsten Herbst weiss, was da ist und was fehlt.» Ein Perfektionist eben.

Der Event des Jahres

Für Gemeindepräsident Karl Näpflin ist klar: Das Rennwochenende mit den über 60 000 Ski- und Partyfans aus aller Welt ist der Topevent der Region. «Wir brauchen die Lauberhornrennen, auch weil sie die Schönheit unserer Region überall sichtbar machen», sagt er. «Aber die Infrastruktur der Region kommt schon an ihre Grenzen.» Das zeigte sich im vergangenen Jahr, als die Menschen nach der Party dank des warmen Wetters auf die Idee kamen, ins Tal zu laufen, statt den Zug zu nehmen.

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«Und das ist in der Nacht wirklich keine gute Idee», so Näpflin. Darauf werde man in diesem Jahr reagieren. Da ist es erstaunlich, dass die Organisation und Durchführung des Anlasses fast ohne Beteiligung der Gemeindemitarbeitenden auskommen. «Während des Rennwochenendes beginnt deren Arbeitstag jeweils etwas früher, damit die Strassen geräumt und aufgeräumt sind», sagt Karl Näpflin, «alles andere obliegt dem OK der Rennen.» Allerdings leistet die Gemeinde einen jährlichen finanziellen Beitrag in Höhe von 125 000 Franken an den Event.

Stimmung, bis es kracht

Der Gemeindepräsident selbst ist – wie fast jeder Wengener, jede Wengenerin – natürlich trotzdem seit vielen Jahren in der einen oder anderen Art Teil der Lauberhornrennen. «Angefangen habe ich zusammen mit meinen beiden Brüdern vor vielen Jahren als Vorfahrer im Slalom», erinnert er sich. «Danach hatte ich einen Stand im Weltcupdorf, und war dann fast zehn Jahre lang als Bauchef für den Aufbau zuständig.» Heute ist er als Vertreter der Gastgebergemeinde Lauterbrunnen bei den Preisverteilungen anwesend, «und ich mische mich nach wie vor sehr gern unter die Partygäste!» Dass man dort einiges erlebt, versteht sich von selbst. «Letztes Jahr herrschte in meiner Schneebar eine ausgelassene Stimmung, es wurde getanzt und gefeiert – und plötzlich brach die Bühne zusammen. Das habe ich noch nie erlebt!» Passiert sei zum Glück nichts. Nur die Skistars sieht man in der heutigen Zeit nicht mehr so häufig in Feierlaune, fügt der Gemeindepräsident an, und er erinnert sich an Roland Collombin, den Schweizer Lauberhorn-Sieger von 1974. «Er kam damals nach Wengen und warf seinen Skisack mit 6 bis 8 Paar Ski so schwungvoll auf den Elektrowagen, dass dieser umkippte», erzählt Karl Näpflin. «Kurzerhand richtete er den Wagen wieder auf und verschwand mit seinen Fans in die nächste Bar. Und was passierte am Rennsonntag? Collombin gewann!»

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