Ein neuer Beruf für eine nachhaltige Energieversorgung
Im Sommer werden die ersten Lernenden die neu geschaffene Lehre Solarinstallateur*in beginnen. Sie wurde in rekordverdächtig kurzer Zeit entwickelt. Berufsfachschulen, Verbände und Betriebe stecken in den letzten Vorbereitungen.
Andreas Minder
Über die neue Lehre wurde in den Medien viel berichtet. Trotzdem seien sie von Interessent*innen für ihre Lehrstellen nicht überrannt worden, sagt Simon Cassani. Der Maschineningenieur ist bei der Firma Jenni Energietechnik in Oberburg bei Burgdorf für die neue Ausbildung zuständig. Er findet es etwas ernüchternd, dass sich die klimabewegten Jungen kaum für die Möglichkeiten interessierten, als Solarinstallateur*innen konkret etwas für die Umwelt zu tun. «Jene, die bei uns vorbeikommen, sind primär an Technik interessiert. Dass sie damit an der Energiewende mitarbeiten, ist für sie allenfalls ein willkommener Nebeneffekt.» Mit einem Jugendlichen hat die Firma Jenni einen Lehrvertrag unterzeichnet. Für eine oder eine zweite lernende Person hätte es noch Platz.
Jenni Energietechnik ist ein Solarpionier. Aktuell wächst die Firma rasch. Allein letztes Jahr wuchs die Zahl der Mitarbeitenden von 70 auf 80. Deshalb, aber auch im Hinblick auf den generellen Fachkräftemangel im Bereich der Solarinstallation engagiert sich das Unternehmen in der Lehrlingsausbildung. Firmengründer Josef Jenni hatte schon im Jahr 2006 im Grossen Rat des Kantons Bern eine Motion eingereicht, in der er die Schaffung einer Lehre anregte. Die Regierung lehnte das Ansinnen ab. Sie war der Meinung, eine Zusatzqualifikation für bereits ausgebildete Berufsleute sei der bessere Weg. Seit 2012 gibt es eine solche Ausbildung: Elektriker, Heizungsmonteurinnen und Sanitärinstallateure können sich seither zu Solarteur*innen weiterbilden.
Mit vereinten Kräften zur Lehre
Die Idee einer Grundbildung war aber nicht vom Tisch und mit der steigenden Nachfrage nach Solaranlagen rückte sie stärker in den Fokus. Der Branchenverband Swissolar hielt sich jedoch lange Zeit für zu klein, um den aufwändigen Prozess zu bewältigen, den es braucht, um einen neuen Beruf aus der Taufe zu heben. Doch 2022 wurde Swissolar Mitglied von Polybau, einem Verein, in dem sich Verbände der Gebäudehüllebranche zusammengeschlossen haben. Das Bildungszentrum Polybau unterstützt sie in allem, was Ausbildung anbelangt. So führt der Verein etwa die überbetrieblichen Kurse durch.
«Danach ging es sehr schnell», sagt Rita Hidalgo, Leiterin Bildung bei Swissolar. Die anderen Berufe der Gebäudehülle steckten gerade mitten in einer Revision ihrer Berufsbilder. «Wir konnten auf diesen Zug aufspringen.» Nachdem die Betriebe der Solarbranche bestätigt hatten, dass sie eine Lehre wollten, ging es darum, deren Inhalte zu bestimmen. Zu reden gab namentlich die Frage, was für Anlagen Solarinstallateur*innen montieren können sollen: Nur Photovoltaik (für Strom) oder auch Sonnenkollektoren (für Wärme)? Weil zurzeit vor allem Photovoltaik installiert wird und deshalb viele Betriebe Solarthermie gar nicht ausbilden könnten, beschränkte man sich auf Photovoltaik. «Wir hoffen aber, dass sich das ändert und wir die Wärme bei der nächsten Revision reinnehmen können», sagt Hidalgo.
Umsetzung im Eilzugstempo
Mitte des vergangenen Jahres waren die Inhalte für die dreijährige Lehre zum/zur Solarinstallateur*in EFZ und für die zweijährige Lehre zum/zur Solarmonteur*in EBA definiert. Nun brauchte es für alle drei Lernorte – den Lehrbetrieb, die Berufsfachschule und die überbetrieblichen Kurse – detaillierte Pläne: Was wird wo, wann und wie vermittelt? Arbeitsgruppen erarbeiteten konkrete Aufgaben und Lernarrangements. Und es musste auch schon geklärt werden, wie die Kenntnisse der Lernenden im Qualifikationsverfahren geprüft werden.
Dieses findet nämlich nicht erst in zwei resp. drei Jahren statt, sondern bereits im Jahr 2025. Der Grund: Wer schon eine Lehre zum Beispiel als Dachdeckerin oder Zimmermann absolviert hat und über Erfahrung in der Solarinstallation verfügt, wird schon nach einem Jahr zur Abschlussprüfung zugelassen. Personen mit sehr viel Know-how können sogar ohne Lehre direkt ans Qualifikationsverfahren. «In unserer Branche gibt es recht viele davon», sagt Hidalgo.
Dekarbonisierung der Gesellschaft
Auch für die Betriebe gibt es einiges zu tun, wenn sie einen neuen Lehrberuf anbieten wollen, erklärt Simon Cassani von Jenni Energietechnik. Der wichtigste Punkt: Sie brauchen eine Ausbildungsbewilligung des Kantons. Dieser prüft, ob ein Unternehmen bieten kann, was nötig ist, damit die Lernenden nach dem Abschluss über den Strauss an Fähigkeiten verfügen, den sie brauchen. Zu den Anforderungen gehört, dass die Person, die die angehenden Solarinstallateur*innen betreut, die Ausbildung als Berufsbildner*in abgeschlossen hat. Was für Cassani bedeutet, dass er oder sie selbst für ein paar Module die Schulbank drücken muss.
Im Spätsommer werden die ersten Lernenden loslegen. Wie viele es sein werden, wird sich zeigen. «Wir rechnen aktuell mit 200 Lernenden», sagt Rita Hidalgo. Aus ihnen werden jene Fachkräfte, die die angestrebte Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft vorantreiben.
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