In der aktuellen Ausstellung im Stapferhaus in Lenzburg werden mit multimedialen Mitteln zentrale Fragen zu unserem Umgang mit der Natur gestellt.
In der aktuellen Ausstellung im Stapferhaus in Lenzburg werden mit multimedialen Mitteln zentrale Fragen zu unserem Umgang mit der Natur gestellt. Credit: Anita Affentranger
Ü - Die besten Jahre

Museen à discrétion

Mit dem Schweizer Museumspass können landesweit über 500 Museen besucht werden – ohne Eintritt bezahlen zu müssen. Bericht über eine eintägige Museumstour.

Andreas Zurbriggen

Wie viele Museen lassen sich an einem Tag besuchen? Zur Klärung dieser Frage begebe ich mich an einem frühlingshaften Dienstag in einem geschichtsträchtigen, aber touristisch oftmals unterschätzen Kanton auf Museumstour: im Kanton Aargau.

Wo lässt sich ein Museumstag würdig beginnen? Genau, auf einem Schloss. Schafe weiden an diesem Morgen neben dem idyllisch angelegten Weg hoch zum Schloss Wildegg. Einst als Trutzburg der Habsburger gebaut, ging das Anwesen später an die Hallwyler und Ende des 15. Jahrhunderts an die Familie der Effinger über, in deren Familienbesitz es bis 1912 blieb. Die Familie Effinger war es, die dem Schloss ab 1684 mit Ausbauten zu seiner barocken Pracht verhalf.

Irdisches Paradies

Mit dem Schweizer Museumspass erhalte ich freien Eintritt in das Schlossareal. Im Garten, der im Stil des 17. Jahrhunderts angelegt ist, geniesse ich eine eindrückliche Weitsicht bis hinüber zum Schloss Lenzburg. Am liebsten möchte ich hier gar nicht mehr weg. Zwischen Barock- und Rosengarten pendelnd, einen ganzen Tag lang an Blumen riechen und den Wolken bei ihrer Wanderung am Himmel zuschauen – so stelle ich mir das Paradies vor. Heute ist jedoch meine Mission eine andere.

Einst als Trutzburg der Habsburger gebaut, war das Schloss Wildegg bis 1912 Sitz der Adelsfamilie Effinger.
Einst als Trutzburg der Habsburger gebaut, war das Schloss Wildegg bis 1912 Sitz der Adelsfamilie Effinger. Credit: Museum Aargau

Also verstosse ich mich selbst aus dem Paradies und besichtige die Ausstellungsräume des Schlosses. Auf den verschiedenen Stockwerken warten spannende Exponate und aufschlussreiche Videos in hervorragender Machart, in denen Mitglieder der Adelsfamilie Effinger, ein Habsburger und eine Magd mit viel Witz und Esprit auftreten.

In der Scheune wird die Geschichte des Schlosses mit animierten Videos in einen grösseren Kontext eingebettet. Schaut sich gerade niemand ein Video an, erklingt in der Scheune verführerische Musik aus vergangenen Zeiten. Zu Gitarrenklängen des spanischen Komponisten Fernando Sor schaue ich auf der Rückseite des Raums durch ein Fenster auf die Juraketten hinter der Stadt Aarau. Allzu lange Träume kann ich mir erneut nicht erlauben. Der Besuch des nächsten Museums steht an.

Besucherfrequenzen erhöhen

Mit dem Schweizer Museumspass stehen einem für 177 Franken pro Jahr die Türen von über 500 Museen offen. Für 313 Franken gibt es einen Familienpass. Wer Mitglied einer Raiffeisen-Bank ist und von dieser Bank eine Kredit- oder Debitkarte besitzt, hat den Schweizer Museumspass, quasi kostenlos, automatisch auf der Karte integriert. Damit erhält man in sämtlichen Partnermuseen kostenlosen Eintritt. Einzige Ausnahme: Das Verkehrshaus Luzern. Dort gibt es 50 Prozent Rabatt.

Zwischen Barock- und Rosengarten pendelnd einen ganzen Tag lang an Blumen riechen und den Wolken bei ihrer Wanderung am Himmel zuschauen – so stelle ich mir das Paradies vor.

Das Bundesamt für Kultur, Schweiz Tourismus und der Verband der Schweizer Museen gründeten 1996 die Stiftung Schweizer Museumspass. Das angestrebte Ziel? «Den Museumsbesuch attraktiver gestalten und die Besucherfrequenzen erhöhen», sagt Simone Franzen, stellvertretende Geschäftsführerin der Stiftung Schweizer Museumspass. Der Kopf hinter der Idee Museumspass war der 2011 verstorbene Touristiker Theo Wyler. Tausendjährige Geschichte

Nach einer Viertelstunde Gehzeit bin ich zurück beim Bahnhof Wildegg. Es ist kurz nach Mittag. Nach mehrmaligem Umsteigen erreiche ich das rund 40 Minuten entfernte Muri (AG), wo sich das Hauskloster der Habsburger befindet. Die Benediktinerabtei schrieb die Geschichte der Region mit, bis 1841 sämtliche Klöster im Kanton Aargau aufgelöst wurden.

Heute befinden sich in den Räumen der Anlage ein Museum, das Auskunft über die tausendjährige Geschichte des Klosters gibt, eine Loretokapelle, die seit 1971 als Begräbnisstätte der Habsburger dient, eine Ausstellung mit Werken des einheimischen Künstlers Caspar Wolf sowie ein Museum für medizinhistorische Bücher. Also durchaus ein reichhaltiges Programm für einen ganzen Tag. Drei Stunden investiere ich die verschiedenen Museen, wandle im Kreuzgang des barocken Klosters, lerne die vielfältigen Ansichten der einstigen Äbte kennen, bestaune die Gebirgslandschaften des Malers Caspar Wolf und atme den Duft der Weisheit in der gediegenen medizinhistorischen Bibliothek.

Blick in die Ausstellung «Natur. Und wir?» im Stapferhaus Lenzburg.
Blick in die Ausstellung «Natur. Und wir?» im Stapferhaus Lenzburg. Credit: Anita Affentranger

1,3 Millionen Eintritte

Pro Jahr werden 10000 Schweizer Museumspässe verkauft. Im vergangenen Jahr konnten damit 98500 Eintritte generiert werden. Zusammen mit den Raiffeisenkarten und dem Swiss Travel System, das ebenfalls als Partnerin des Schweizer Museumspasses agiert, konnten 2023 sogar 1,3 Millionen Eintritte verbucht und über 12 Millionen Franken an Schweizer Museen ausbezahlt werden. Über die Leistungsvereinbarung mit dem Bundesamt für Kultur (BAK) verschenkt die Stiftung jedes Jahr 10000 Einzeleintritte, beispielsweise an die Caritas-Kulturlegi oder an Cerebral.

Fluss mit eigenen Rechten

Kurz nach 15 Uhr stehe ich am Bahnhof von Muri und warte auf einen Zug, der mich nach Lenzburg bringt. Dort gibt es direkt neben dem Bahnhof ein Museum, das sich mit den grossen Fragen der Gegenwart beschäftigt und es so immer wieder schafft in der gesamten Deutschschweiz Diskurse anzustossen: das Stapferhaus.

Die 90 Minuten, die mir bis zur Schliessung des Museums für die Besichtigung der aktuellen Ausstellung «Natur. Und wir?» bleiben, sind arg kurz. In technisch futuristisch anmutender Atmosphäre werden die Besucherinnen und Besucher mit unterschiedlichsten Fragen zur Thematik Natur konfrontiert: Was passiert, wenn einem Fluss plötzlich der Status eines Rechtssubjekts zugesprochen wird, wie dies 2017 mit dem Río Atrato in Kolumbien geschah? Oder: Wie fühlt sich die Perspektive an, in der ein Fuchs die Welt wahrnimmt?

Die Ausstellung zeichnet sich durch multimediale und partizipative Elemente aus. Die Anregungen sind mannigfaltig, Zeit zur Kontemplation bleibt mir beim Ausstellungsbesuch wenig. Einige wertvolle Inputs nehme ich daher einfach mit. Über diese denke ich auf meiner längeren Zugreise nach Hause nach, auf der ich Gebiete voll von Eingriffen in die Natur durchquere. Dabei gelobe ich mir, mich bei meiner nächsten Museumstour auf maximal zwei Museen pro Tag zu beschränken. Mit über 500 Museen ist die Versuchung zu überborden allerdings gross.

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